Tag 1 - Aufbruch gen Osten

Heute sollte er nun losgehen, der heiße Trip in den wilden Osten. Nachdem sich gestern nochmal alle männlichen Mitglieder (ist das jetzt schon eine Tautologie ? ;-)) der Brigade Erfurt zusammengefunden und Anzahl sowie Anordnung der Stühle festgelegt haben, stand auch schnell fest, dass Olli die französische Waffe mit heim nehmen würde, um uns am Morgen nacheinander einzusammeln!
Die Abfahrtszeit konnte, wie üblich nicht ganz gehalten werden, was einerseits am Trennungsschmerz einzelner, andererseits am unglaublichen Gepäckaufkommen der gesamten Gruppe lag. Da sich im Vorfeld aber gegen 3 weitere Sitze entschieden wurde, war auch das kein Problem und Ausrüstung sowie Proviant bald verstaut. Der wohl einfachste Teil der Reise, auf der Bundesautobahn 4 durch Ostdeutschland, verlief auch dementsprechend unspektakulär. Bei langweiligen 140 km/h blieb noch genügend Gelegenheit unsere französische Senfte nach einem Line-in Anschluss zu durchsuchen. Da dies ohne Erfolg blieb, "mussten" wir Jungs doch tatsächlich noch mal in Görlitz raus und bei Euronics XXL einen Technik-Kauf-Stopp einlegen. Mit einer Logitech Soundbar mehr in unserem ansehnlichen Technik-Handschuhfach (und hier bitte mal irgendwo ein Espace-Handschuhfach in Augenschein nehmen - das ist riesig) ging es wenige Minuten später über die kaum noch wahrnehmbare Grenze ins östliche Nachbar- und Co-Gastgeberland der EM - Polen!
Die EU-Osterweiterung macht es möglich, dass auch in Sachen Zustand der Europastraße 40 kaum noch ein Unterschied festzustellen ist, am auffälligsten sind hier noch die elektronischen Anzeigen zu Luft- und Asphalttemperatur alle 20-30 Kilometer. Da wir eine mittelharte Mischung bei unserer Bereifung gewählt hatten, war speziell letztere Angabe aber eher überflüssig für uns! Auch auf Geschwindigkeit und Fahrweise hatte die Asphalttemperatur keinen Einfluss, mit stoischer Ruhe rollte Peter unterstützt durch seinen Freund, den 3,0 V6 - Motor Kilometer um Kilometer runter.

Mit dieser Autobahn und dem genialen Vorankommen reifte immer mehr die Idee in näherer Zukunft das Groundpunkte-Konto in Polen mal bissel aufzustocken, ist echt nur noch ein Katzensprung. Keine 5 Stunden nach Abfahrt erreichten wir dann auch schon den Großraum Breslau / Wrozlaw und dank auffälliger und übersichtlicher Beschilderung wurde auch das Stadion ohne unnötige Schleifen und Wendemanöver sofort gefunden. Dass wir dabei eine vierspurige, top-ausgebaute Umgehungsstraße benutzten, die auf GoogleMaps Null Komma Nix verzeichnet war, wir also übers Feld ackerten, liess mich etwas an Online-Navigationen zweifeln, hatte ich doch bisher für mich als großen Vorteil ausgemacht, dass man immer den aktuellsten Stand an Kartenmaterial zu Grunde liegen hat.

Nach knapp 10 Minuten auf eben jener westlichen Umgehungsstraße tauchte alsbald das Stadion auf der rechten Seite auf und wirkte zu dieser Zeit deutlich imposanter als es schlussendlich dann war. Ohne die wirkliche Hoffnung auf offizielle Stadionparkplätze, war unser Plan trotzdem die Karre hier zu parken und anschließend via ÖPNV Innenstadt + Fanfest zu besichtigen! Dieser Plan konnte auch umgehend und unfassbar komfortable sowie kostenneutral in die Tat umgesetzt werden, da sich in der Abfahrt von und direkt unter meiner, oben schon mehrfach erwähnten Straße ein eingezäunter, asphaltierter und bewachter Parkplatz befand. Eine "etwaszuspäterkanntundgehandelt" - Ehrenrunde gedreht und schwupp standen wir auf selbigem, ohne bei der Einfahrt die erwarteten 10 Euro einrichten zu müssen. Auch der Einweiser machte keinerlei Anstalten und Geld dafür abzuknöpfen - das Bewachte Parken, keine 10 Minuten vom Ground entfernt war also kostenlos! Leider werden die meisten Leute jetzt denken "schön doof, heute wär jeder bereit dafür 5-10 Euro zu bezahlen, warum also entgehen lassen", ich finde aber genial, dass nicht jeder immer und überall nur den Profit sieht! Großveranstaltungen ohne Parkplätze sind Assi und für Parken und Pinkeln Geld zahlen zu müssen ist noch mehr Assi!
Und weil diese Ansicht offensichtlich mindestens einer mit mir teilt standen hier innerhalb der Umzäunung sogar noch 6 topsauber (ungeprüfte Informationen aus vertrauenswürdiger Quelle) Dixies!

Rund sieben Stunden vor Anpfiff war der Parkplatz schon zu gut 2/3 gefüllt, darunter eine stattliche Anzahl Autos mit russischem Kennzeichnen aber auch schon einige Deutsche. Zwei Kollegen aus Karlsruhe z.B. setzen ganz offensichtlich auch und noch konsequenter auf die Karte 'Road-Trip', sind diese doch zu zweit in einem Mitsubishi Kleinbus unterwegs, bei dem die Anordnung der Sitze auf gemütliche, preiswerte Nachtlager schliessen lässt!
Okay, genug zum Thema Parkplatz - wir sind ja wegen der Stadien hier, manche sogar wegen des Fußballs. Während der Rest meiner Reisegruppe den direkten Weg via Tram in die City einschlug, verabschiedete ich mich zu einer Groundrunde inklusive Fotosession, mit so wenigen störenden Menschen und so guten Lichtverhältnissen würde ich das Stadion auf diesem Trip nicht mehr zu Gesicht bekommen. Infrastrukturmäßig gabs hier offensichtlich eine Punktlandung - Stadion, Strassen, Parkplätze, Tram-Linien + moderne Haltestellen - alles fertig und Top in Schuss!

Nichts desto Trotz sah irgendwer wieder den dringenden Bedarf, so ein EM-Vorrundenspiel anders "abzusichern" als Ligaalltag und Europacup und Länderspiel, und ließ Kilometer an hässlichen Bauzaun aufstellen, die den Spass einer frühen Groundrunde und das Fotografiererlebnis deutlich einzutrüben wussten! Wenn es dort solch einer zusätzlichen Absperrung bedurft hätte, wäre sie wohl eingeplant und hingebaut worden.
Super Licht, ein genialer Himmel und die Vorfreude auf die kommenden 10 Tage, welche beim Anblick des ersten Grounds dieser Tour noch gesteigert wurde, stimmten mich aber milde ;-)! Eine der nächsten, aller 10 Minuten verkehrenden Trams bestiegen und 20 Minuten später war die Brigade Erfurt wieder komplett und wollte mal Fanfest inklusive Innenstadt in Augenschein nehmen. Dieser Plan konnte ungeplanter Weise mit sehr netter und passender Verstärkung umgesetzt werden, denn wie so oft traf man auch hier in Breslau (immerhin 600000 Einwohner + einige EM-Gäste) irgendwo an einer x-beliebigen Kreuzung auf einen der Begründer der Erfurter "Hopperszene" Marco H. alias Preuße! Netter Nebeneffekt der ohnehin schon netten Begegnung ist die Tatsache, dass der Kollege seit mehreren Jahren Polen sein zu Hause nennt und daher in Sachen Sprache und kulinarischer Tipps neben nett auch noch praktisch war! ;-)

Gemeinsam ging es also aufs Fanfest, welches absolut überzeugen konnte. Mitten in der Innenstadt auf und um die großen Marktplätze herum wurde für die komplette Zeit der EM ein Gelände eingezäunt und für das fußball- und feierwütige Volk her- und eingerichtet. So gibt es dort neben dutzend Getränke- & Fressständen zwei ziemlich fette und auch bei Tageslicht brillante Videowände, eine Bühne usw. usf. ! Sicher muss die Frage erlaubt sein, ob es wirklich gut und richtig ist, dass es dort z.B. nur Importbier vom Sponsor Carlsberg zu kaufen gibt und regionale Produkte keinerlei Rolle spielen, aber ich befürchte, dieses Rad ist nicht mehr zurück zu drehen. Was allerdings ne VIP-Tribüne auf nem Fanfest zu suchen hat, auf der man sich einen besseren Blick zur Videowand oder im schlimmsten Fall "ich kann's mir leisten hier drauf zu sein" - Image erkaufen kann, erschließt sich mir überhaupt nicht! Mehrklassengesellschaft selbst beim Public Viewing - Fuck You!!!

Da uns, allen voran unserem Papa-Schlumpf Olli, aber der Sinn eher nach ein paar einheimischen Leckereien stand, wurde das Fanfest nach einem Besuch des UEFA - Souvenirstands Richtung unbesetzte Altstadt verlassen. Apropos Altstadt, für architekturbegeisterte Touristen sicher ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für einen Abstecher nach Breslau, die EM-bedingten Eingriffe in die Altstadt sind enorm und verdecken viel von der sehr schönen Substanz. Da wir, und auch hier wieder allen voran Papa-Schlumpf, auch noch ein wenig mehr davon sehen wollten ging es mit einigen Umwegen durch enge Gasse, entlang der Oder und quer über kleinere Plätze und vorbei an einigen Brunnen zur Nahrungsaufnahme in ein kleines lokal mit traditioneller polnischer Küche. Normal könnte der folgende Teil der Verköstigung locker kommentarlos übersprungen werden, wären da nicht 3 Details, die erzählt gehören.
Als erstes wäre da die in wechselnder Besatzung zwischen drei und zehn Mann starke Gruppe kurzhaariger, stimmgewaltiger und alkoholbedingt enthemmter Jungs zu nennen, die von einem nahen Balkon ihr Ziel verfolgte die Altstadt mit allerlei Liedgut zu bereichern. Unterbrochen wurde der liebliche Singsang immer kurz, wenn Gruppen mit ähnlichen angeborenen und angetrunkenen Talenten von der Strasse her einen Kanon anzettelten. Punkt 2 ist das Essen selbst, was durchaus lecker war und mit Ollis Pierogie wohl auch etwas Ur-Polnisches zu bieten hatte! Ich als Erfurter im Süddeutschen Exil würde das Zeug fast Maultaschen nennen, aber erstens hat keiner gefragt und zweitens war mein Geflügel-Schaschlik auch sehr lecker! Zu guter Letzt und dies auch passend kurz vorm Weiterziehen konnte der Preuße uns noch kurz unfreiwillig erheitern, in dem er vermeintliche Stadionpostkarten vom hiesigen Ground präsentierte, die er kurz zuvor käuflich erworben hatte. Ohne, dass ich erst kurz zuvor an selbigen gewesen wäre, hätte ich das aufgenommen, geglaubt und gefragt, wo es die gab. So hatte das abgebildete Teil allerdings kaum bis keine Ähnlichkeit mit dem heutigen Spielort. Ohne es schon abschließend geklärt zu haben, gehen wir mal davon aus, dass es sich auf der Postkarte um das Stadion von Danzig handelt. Zur Ehrenrettung muss aber erwähnt werden, dass es kein wirkliches Foto, sondern ein 3D-Effekt-Wackelbild war, was da ziemlich lieblos auf die Postkarte gepappt wurde. Hoffentlich gibts da im Verlauf des Turniers noch schickere. Achja Turnier, hier gehts ja eigentlich um Fussball, also wollen wir auch mal darauf zurück kommen.

Der Preuße musste die Gruppe leider schon wieder verlassen, weil die Arbeit rief, für uns andere hieß es langsam auf zum Treffpunkt mit Gruppe Multikulti. Kurz per SMS Bescheid gesagt, dass wir pünktlich da sind, kam ne ziemlich bescheidene Antwort. Details spielen keine Rolle, Hauptsache du bist schon längst wieder bei Kräften und siehst vielleicht gar noch den ein oder anderen EM-Kick!
Da es nun noch etwas auf die Kollegen zu warten galt, mischte man sich unters polnische Fan-Volk und verfolgte auf einer der großen Videowände die Eröffnungsfeier sowie die ersten Minuten vom Kick Polen - Griechenland. Und sehr wahrscheinlich weil Polen eine der Mannschaften stellte, war hier Gott und die Welt zugegen und es kam ab und sogar recht gute Stimmung auf, das ganze in rot-weiß wusste zumindest optisch zugefallen.


Knapp 20 Minuten nach Anpfiff trafen dann die verspäteten Kollegen ein und just mit dem 1:0 für den Gastgeber verließen wir gemeinsam den Marktplatz um mit der Tram zum Stadion zu fahren. Großes Hallo, das ein oder andere Bier, mit Tschechen und Russen dumme Lieder singen war man dann gut eine Stunde vor Kick Off im Stadion und zumindest ich war baff, dass es sich beim dem > 40000er Stadion um eines in einrangiger Bauweise handelt! Nicht hässlich das Ganze aber auch überhaupt nix besonderes - 4 gleich hohe Tribünen, einheitlich grünen Sitzschalen mit weißem Schriftzug, erfreulich wenigen Logen und einer "Hülle" aus netzartigem Metallgewebe um das Ganze drumherum, mit blauem Licht!


Zum Spiel gibt's gewohnt wenig Infos von mir, ich bin ja wegen der Stadien hier ;-)! Aber ein paar Worte verlier ich dann doch mal! Da beide Teams bzw. Länder vorzugsweise in den Farben rot, weiß und blau in Erscheinung treten, war erst nicht genau auszumachen welches Team von wie vielen Supportern begleitet wurde. Zuerst dachten wir, es seien mehr Tschechen da, bei den Toren der Russen jubelten dann aber deutlich mehr Leute. Russland hatte ohne Traumfussball zu spielen das Spiel bis auf die ersten 12 voll im Griff und gewann souverän 4:1. Für die Tschechen wird es in der Verfassung ganz, ganz eng und an Möchtegern-Weltstar Baros geht die EM wahrscheinlich wieder komplett vorbei!


Nach dem Spiel noch ausgiebige Foto-Runde gedreht und von Peter und mit Peter nen Länderpunkt-Hot-Dog ausgegeben bekommen und verspeist!
Beim Rausgehen noch den einen oder anderen Ticket-Sammler gesehen, die uns bekannten hatten sich aber offensichtlich woanders, wahrscheinlich in Nähe zum VIP-Bereich postiert! :-)
Damit der Tag rund wird bleibt noch zu erwähnen, dass es relativ zeitnah nach dem Spiel weiter Richtung ukrainische Grenze ging, um rechtzeitig zum Auftakt-Match der Deutschen Elf in Lemberg zu sein....

Vorbericht: Road Trip - Heißer Trip nach Donezk
Vorbericht: Die Gefährten
Vorbericht: Das Gefährt
Vorbericht: Die Uniform
Tag 1 - Aufbruch gen Osten
Tag 2 - Ukraine wir kommen
Tag 3 - Die Vereinigung
Tag 4 - Heut verlassen wir Europa
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