Moskauer Cocktails + Derby

Spartak vs. CSKA Moskau, Saturn Ramenskoje, Lokomotive Moskau, fast Dinamo Moskau....
 
Mit gemischten Gefühlen sollte der Trip nach Moskau beginnen. Seit Tagen sprach man vom heißesten Sommer in Russland, wohlgemerkt seit Beginn der Temperaturerfassung. Ok, mit Wärme komme ich klar. Mehr Sorge machte mir der Running Gag auf Arbeit, dass mir einige Kollegen schmunzelnd eine Atemschutzmaske auf den Schreibtisch legten. Hintergrund, seit Tagen wütenden Wald-/ Torfbrände in Zentralrussland, speziell um Moskau herum. Laut den Nachrichten wurde den Einheimischen dringend angeraten, die Wohnungen nicht zu verlassen, da ein 3-stündiger Aufenthalt auf der Strasse dem Rauchen von 2 Schachteln Zigaretten entspräche. Gefahr groß, dass der Spieltag abgesetzt würde... Shit happens, nach der Arbeit ging es direkt zum Bahnhof, wo der EC nach Berlin auf der Fahrgastanzeige mit folgender Mitteilung angekündigt wurde: „Zug hat unbestimmte Verspätung“ … nerv! Ab zum Infostand und den Jungs klar gemacht, dass mein Flieger sicherlich nicht auf mich wartet. Na holla, ohne Diskussion wurde mein Ticket von der Zugbindung aufgehoben, und ab ging es mit dem ICE über Leipzig nach Berlin. Und dass für 19€, DB – warum nicht immer so… Check-In, Flug sowie Einreise verliefen relaxt. Dass einzig erwähnenswerte, ich verknallte mich in eine von den Stewardessen. Christiane Paul Verschnitt, kurze Haare, großer Mund, unglaublich locker und spaßig drauf, Vorname Olga. Um es mit den Worten von einem Kumpel zu beschreiben, ich „blickfickte“ Sie den kompletten Flug.

In Moskau angekommen wurde es gerade hell, und siehe da, dank einiger Regenschauer über Nacht war weit und breit kein Smog zu sehen. Fernsicht bis Sibirien. Dafür erreichte die Temperatur bereits früh morgens die Marke „Es hackt wohl!!!“. Ticket für den Aeroexpress gelöst (8€) und in 35min war man am Moskauer Bahnhof „Belorus“. Dass Abenteuer Moskau konnte beginnen…. 

Kaum ausgestiegen fühlte ich mich wie in einer Mischung aus arabischen Basar auf einer 8-spurigen Autobahn, tiefste kommunistische Zone und roten Berg in Erfurt. Viele Menschen, also halt so richtig viele Menschen (Rushhour), auf den Bahnhofsvorplatz ein Gedränge und Geschiebe wie beim Ausverkauf bei Aldi. Jeder verkaufte irgendwie irgendetwas, viele Penner + Bettler aller Kategorien, dazwischen Frauen, welche frisch vom Fotoshooting beim Penthouse Verlag kamen. Und im Hintergrund rote Sterne, auf jeder Wand bzw. Dachspitze. Moskau, Du warst mir schon jetzt sympathisch. Ab in die Metro, sehr nice, und ab zum Hotel im Nordosten der Stadt. Check-in, kurz frisch gemacht, Sightseeing + Nahrungsaufnahme standen an. Frisch gestärkt mit 100g Wodka + fettigen, aber leckeren Mittag galt es 3h vor Anpfiff in Richtung Länderpunkt aufzubrechen. Schließlich hatte ich absolut keinen Plan, wie ich nach Ramenskoje kommen sollte, immerhin 50km außerhalb von Moskau gelegen. Einige definieren jene Art von Vorbereitung als "grottige Organisation", ich bezeichne es als unbekümmert spontan …

 
Mit der Metro gen Südosten von Moskau, wo sich immerhin 3 der 11 großen innerstädtischen Hauptbahnhöfe befinden. Die Möglichkeit, dort eine Zugverbindung nach Ramenskoje ausfindig zu machen, erschien mir nicht wirklich unlogisch. Blöderweise ist die Orientierung in Moskau als Foreigner nicht ganz ohne Schwierigkeiten verbunden, alle Wegweiser + Schilder sind ausschließlich in Kyrillisch, mein Stadtplan sprach leider nur englisch. Und es dauerte nicht lange, bis sich meine Bedenken bestätigten….

Bahnhof erreicht, ab zum Info-Schalter und in fließend russisch „Hallo, können sie mir helfen“ das Eis gebrochen. Letzteres schien mir wirklich gelungen zu sein, die Antwort der bildhübschen Infobesetzung dauerte gefühlte 5min. Natürlich kein Wort verstanden…. was ich Ihr dann auch lächelnd zu verstehen gab. Na klar, Sie sprach natürlich kein Wort Englisch, warum auch, am Infostand eines überregionalen Bahnhofs... Es wurde interessant, Sie hackte auf der Tastatur rum und drehte anschließend den Bildschirm zu mir. Uiiih, alles klar, wir kommunizieren jetzt via Babylon Online Translator. Nicht die schlechteste Idee. Clever natürlich, dass ich nicht mehr wusste, wie man Ramenskoje auf kyrillisch schreibt. Ok, zu allen entschlossen kurz über den Tresen gegriffen, die Tastatur und die Maus geschnappt (Ihr süßes + verdutztes Gesicht bei der Aktion wäre ein komplettes Fotoalbum wert gewesen), über soccerway.com die Website vom Verein geöffnet und wir waren Freunde. Fein säuberlich notierte Sie mir den Bahnhof sowie den Ort auf einen Zettel, denn natürlich war ich am falschen Bahnhof. Also wieder zurück zur Metro, diesmal in Richtung Bahnhof „Komsomolskaja“. 

Am neuen Bahnhof angekommen ein Gefühl von ???, ich fand weder ein Hinweis auf das richtige Gleis, noch konnte mir irgendjemand verbal helfen. Als Reaktion auf den Zettel zeigten alle in Richtung Bahnhofshalle, obwohl sich doch die Gleise vom Sackbahnhof genau in der anderen Richtung befanden. Ok, neue Methodik musste her. Kurzer Check, Metrostation war die richtige. Abgleich mit den Stadtplan, Bahnhof war in der Nähe. Orientierungsabgleich meiner Position zum Stadtplan über die größeren Gebäude der Umgebung. Fein. 360° Panorama Blick, interessant..., dass Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite könnte irgendwie alles sein, inkl. einer Bahnhofshalle. Check mit den Stadtplan, Aha - Effekt stellte sich ein, die 90° versetzten Gleisanlagen passten jetzt aber mal gar nicht mehr ins Bild, wie gesagt, ich stand auf einem Sackbahnhof. Mittels der Strassenunterführung das All-Inclusive - Gebäude geentert. Bahnhof „Kasanskji“ war gefunden. Kurze Zusammenfassung, 2 separate Sackbahnhöfe mit jeweils deutlich mehr als 20 Bahnsteigen, Entfernung Luftlinie 40m… 

Gleis gefunden, Ticket gelöst, rein in den Nahverkehrszug, auch bekannt unter der Begrifflichkeit „Elektritschki“. Auszug Wikipedia: Die Elektritschki sind spartanisch ausgestattet: Holzbänke - der Charme der 30er-Jahre liegt in der Luft. Jupp, Wiki hatte mal wieder recht. Die Fahrt an sich interessant, kaum die Stadtgrenze von Moskau verlassen, begann die russische Märchenwelt. Birkenwälder, Dörfer mit großen Holzhäusern, Landleben pur, Picknicks links und rechts vom Bahngleis. Cool, keine einzige Brücke bzw. geregelte Bahnübergänge. Entsprechend das Signalhorn vom Zug gefühlt auf Dauerbetrieb, um die Gleisgänger zu warnen.  Vereinzelt qualmende Wiesen sowie abgebrannte Waldstücke. Alles in allen, es gab viel zu sehen, und man konnte auch viel sehen ... die Durchschnittsgeschwindigkeit des Zuges war nicht mehr als 40km/h.

30.07.2010 Saturn Moskow. Oblast (Ramenskoje) - Anschi Machatschkala 1:0 (0:0) - 4000 Zusch.

Nach 1 1/2h war Ramenskoje erreicht, noch 10min bis zum Anpfiff. Klasse, vorab tausend Jahre Zeit gehabt und mal wieder nicht pünktlich zum Spielbeginn. Taxi klar gemacht, indem den versammelten 10 Taxifahrern 5x sehr langsam und deutlich wiederholt „SATURN - Football“ vorgepredigt wurde. Schnick-Schnack, einer hatte es verstanden und durfte mich zum Stadion fahren. Ticket gekauft (7€) und asap rein in die Bude, so jedenfalls der Plan... Ich wurde 3x komplett gefilzt, vor/nach dem Eingangsbereich sowie beim Betreten vom eigentlichen Block. Da natürlich keiner der anwesenden Polizei/Militär/Spezial-KGB/ was auch immer Truppe verstand, warum ein Nicht-Russe in Ramenskoje ein Fußballspiel besucht, wurden die Kontrollen nach meiner Wahrnehmung entsprechend „gründlich“ durchgeführt.
 
 
Beim eigentlichen Blockzugang dann der Overkill. Die Truppe am Zugang trug durchweg grün-graue Kampfanzüge, sehr einschüchternd schick, dazu alle die gleichen Eltern, Papamutant und Mamamutant. Die Jungs spielten zum warm werden Flughafenpolizei, alle metallischen Gegenstände schön in das Körbchen legen und dann ab durch den Metalldetektor. Kein Piepsen …

Spürbare Aufregung in der Mutantengang, Anführer 1 sprach zu mir. Natürlich kein Wort verstanden, was der wollte. Auf meinen Hinweis, dass wir ruhig die Sprache wechseln können, reagierte er sichtlich „hilflos + launisch“. Darauf hin kam Anführer 2, so eine Art Häuptling, nennen wir Ihn grundlegend seines Erscheinungsbild fortführend einfach mal Mr. Totschläger! Ohne viele Worte (sehr effiziente Herangehensweise, wir hätten uns ja eh nicht verstanden) wurde meine Wenigkeit nicht wirklich unsanft zurück durch den Metalldetektor gestoßen. Ok, verstanden, der Detektor detektierte nichts, was wohl nicht in das Weltbild der Mutanten passte. Der Foreigner musste einfach Sprengstoff, Waffen, ausländische Devisen, Kaugummis, Matchboxautos oder andere gemeingefährliche Sachen am Körper tragen…

Schön, machen wir halt eine Runde mehr Scanner. Wieder kein Piepsen… Die Laune bei Mr. Totschläger wurde nicht wirklich besser. Mit einer eindeutigen Handbewegung machte er klar, dass er das Spiel noch eine Weile spielen wollte, sprich zurück zum Detektor. Ok, Spaß und Gastfreundschaft waren bei mir dann aber doch ein wenig erschöpft, nach einem klaren“ Njet“ + allerlei verbal kommunizierten Neuigkeiten über die Freizeitaktivitäten von Ilona Putin verstand selbst Mr. Totschläger, dass ich kein Bock mehr hatte. Daraufhin schickte er einen seiner Mutanten sicherheitshalber in Metallvollausstattung (Handschellen, Knarre usw.) durch den Scanner, um mir die Funktionalität des Wunderdings zu beweisen. Rest könnt Ihr Euch denken.

Mr. Totschläger übernahm darauf hin persönlich die Funktion vom Detektor und "tätschelte" mich liebevoll ab, wohl als eine Geste der Ehrerbietung in Russland zu verstehen. Als er im Genitalbereich herum wilderte, hätte ich vor Schmerz schreien können, wollte mir aber selbstredend keine Blöße vor dem Mutantenstadl geben. Blöde unterbelichtete, geistig verwirrte, komplexverseuchte Mistsau.

Letztendlich durfte das Innere vom Stadion geentert werden, 18min. nach Anpfiff, leicht schief gehend, mein linker Hoden hatte die Liebkosung noch nicht wirklich verdaut. Unspektakuläres Stadion, nur 4000x Zuschauer, welche in der ersten Halbzeit ein unterirdisch langweiliges Spiel sahen, konnten meine Freude der Anwesenheit nicht schmälern. Länderpunkt sowie die finale Gewissheit, dass dieses WE in Moskau Fußball gespielt wird...
Dass Stadion "Saturn" fasst max. 16.500 Zuschauer, komplett überdacht, 4 Flutlichtmasken. Sicherlich ein nettes Erlebnis, wenn hier ein Derby gegen einen der großen Moskauer Clubs ansteht. Gegen Anschi Machatschkala jedoch tote Hose. Die Supporter beider Seiten (ca. 20 Gästefans) hörte man nur vereinzelt, Pyro oder ähnliches Fehlanzeige (wie auch bei den Einlasskontrollen...). Das komplette Spielfeld, vorrangig bei der VIP Tribüne, von Polizisten umstellt. In der 2. Halbzeit wurde das Spiel lebendiger, es gab ein paar richtige Aufreger zu verzeichnen. 67.min, Ramenskoje erzielte das 1:0. Nachfolgend erfolgte ein blindes Anrennen von Anschi M., was aber nichts einbrachte. Saturn dagegen spielerisch einfach zu begrenzt, dass Ergebnis noch höher zu gestalten, die Möglichkeiten waren jedenfalls vorhanden. Nach dem Spiel den Weg vom Stadion zum Bahnhof zu Fuß bewältigt, um die Stadt ein wenig zu erkunden. Sehr sympathisch, Trabantensiedlungen ohne Ende, 4-5 Ehrendenkmäler für den 2.WW, alles ein wenig verfallen. Ging konform mit meiner Vorstellung einer kleinen russischen Kleinstadt. Supermarkt geentert, standen 2 Typen vor mir, welche für meine Verhältnisse unglaublich viel Bier kauften (6-8x 5l Kanister + diverse 1,5l Flaschen). Sah nicht danach aus, als ob ein Candle Light Dinner mit Freundin bevor stand. Beide gaben eine leere Flasche sowie 2 bereits geöffnete halb leere Bierflaschen der Kassiererin als Leergut. Surprise, die Flaschen wurden über den Scanner gezogen, um nachfolgend diese den beiden Typen zurück zu gegeben. Ok, nix Leergut, man fängt hier im Supermarkt bereits vor dem Zahlvorgang das Saufen an... Per Nahverkehrs-ICE erfolgte die Rückfahrt, sehr chillig. Die Durchschnittsgeschwindigkeit analog der Hinreise, jedoch fuhr der Zug ohne Halt bis nach Moskau durch. Gegen 23Uhr war das Hotel in Sichtweite, wo die einzige Motivation darin lag, Schlaf zu bekommen. Achja, russische Frauen im Sommer, geht so einigermaßen....





Weiter lesen? Hier.....


Stadionpanoramen - Schmalympics - 3C Deutschland GmbH