18.06.2014 Australien – Niederlande, Estadio Beira-Rio – Porto Alegre

Und die geht damit los, dass das in Cuiaba gestartete Flugzeug leider nicht bis Porto Alegre durchfliegen wollte, sondern planmäßig in Sao Paulo zu Boden ging. Da das Gepäck zum Glück bis zum Zielort durchgecheckt war, stolperte ich nur schlaftrunken aus dem Flieger und zum nächsten Gate. Hier unten wirkt nicht immer alles wirklich gut organisiert und auf den Anzeigetafeln im Terminal fehlen auch manchmal Info bzw. die Statusinfo wechselt in einem Moment von „Check-In Open“ zu „Final Call“, aber schlussendlich haben die das mit den Anschlussflügen echt raus.

Start und Landung des zweiten Fluges komplett verschlafen hieß es viertel 10 (jenseits des eisernen Vorhangs viertel nach 9) Touchdown in Porto Alegre, laut Reiseführer einer der lebendigsten und afrikanischsten Städte Brasiliens. Zeit das wirklich zu erleben, ist leider wieder keine, aber einen kurzen Abstecher in die City wollte ich schon machen. Nach einem ausgedehnten Airport-Frühstück galt es allerdings erstmal herauszubekommen, ob das Airport-Ibis hier wirklich am Airport liegt oder man wie in Salvador zwar die Flugzeuge hört, aber trotzdem eine zehnminütige Taxifahrt benötigt. Google Maps sagte 800 Meter und egal wie finster die Gegend da draußen jetzt wäre, frisch gestärkt würde ich die immer schaffen. Also Gerödel aufgesetzt, festgezurrt und aus dem Terminal raus, eine kurze rechts-links – Kombination und schon stand man auf der am Flughafen vorbeiführenden Hauptstraße, die schnurstracks zum Ibis führen sollte. Dies stand dann auch nach der angegeben Entfernung direkt an einem Kreisverkehr eben jener Hautstraße. Sieht aus wie ein noch nicht lange erschlossenes Gewerbegebiet in dem das Ibis hier steht. Alles noch bissel Baustelle und nicht wirklich belebt, hatte ich zumindest auch keine schlechte Gesellschaft. Das Ibis selbst sah ziemlich neu aus und war mit seinen 9 Stockwerken auch nicht von der ganz kleinen Sorte. Trotz der morgendlichen Stunde und eines mächtigen Andrangs, durfte ich mein Zimmer schon beziehen. Die dominierenden Farben im Hotel waren eindeutig gelb und orange. Einige Bedienstete trugen Basilien-Trikots, die brasilianisches Gäste trugen Brasilien-Trikots, die Australier waren geschlossen in Gelb und unserer vom Wasser geprägten Nachbarn, wie man sie kennt halt! Müllabfuhr o le! Meine Sympathien waren sowas von klar verteilt, dass ich mein Gepäck nach etwas gelben durchsuchte und mit meinem Südafrika-Shirt fündig wurde. Frisch geduscht und als Australier verkleidet wollt ich mich wieder auf den Weg zum Flughafen machen, sicher davon ausgehend, dass von dort Shuttles zum Stadion und / oder FIFA – Fan Fest (geschützter Begriff, oh man!) fahren würden. Dies herauszufinden blieb mir allerding verwehrt, da ein als Holländer verkleideter Kanadier, der die Vorlage für Tingeltangel-Bob sein musste, im Moment meines aus dem Hotel Heraustretens ein Taxi bestieg. Kurz „Hey men“, gefolgt von der Frage, ob es zum Stadion gehen solle und schon saß ich mit drin. Sollte zwar nicht direkt zum Stadion gehen, aber erstens war Innenstadt schon mal gut und zweitens lauf ich ja vielleicht auch mit vom Oranje-Platz zum Stadion, was wohl seinen Worten nach alle anwesenden Holländer vorhatten. Während der zwanzigminütigen Taxifahrt entspann sich schnell ein Gespräch mit üblichem Beginn. Was machst Du als Deutscher denn bei so nem Spiel? Haha, das musst Du als Kanadier fragen usw. wurde aber wirklich interessant. Der Kollege, der mit seiner wirren Mähne und seinen Klamotten echt aussah wie Tingeltangel-Bob himself war auch irgendwie ne Art Hopper, nur nicht auf Fußball fixiert. 2012 z.B. stand Eishockey-WM in Finnland / Schweden gefolgt von den French Open und anschließend der Fußball-EM in Polen / Ukraine (Gott hab sie seelig) auf dem Programm. Zwischendurch wird noch begeistert gesurft, was wohl auch für morgen hier in Brasilien auf dem Plan steht. Was, wie, wo das mit Arbeit zu vereinbaren ist, haben wir ausgespart zu diskutieren. Ich hätte bestimmt wieder Grund zum Weinen gehabt. Meine Geschichte von wegen alle 12 Buden hier machen, kam aber auch ganz gut an und so hatten wir auf jeden Fall ne ordentliche Welle und die Fahrt verging wie im Flug. Trotzdem wohl zu langsam, denn der Oranje-Platz war gar nicht mehr so oranje. Die Müllabfuhr wurde offenbar schon zum Dienst gerufen und mit ihr auch sein Kollege, den er hier eigentlich treffen sollte. Telekommunikation scheint nicht wirklich was für den Kollegen zu sein, wir also er fand sich damit ab, dass die weg sind. Also wie jetzt weiter? Fanfest und Stadion sind hier in Porto Alegre ziemlich nah beieinander und so konnte man erstmal nicht viel falsch machen, wenn man sich in die Gegend begibt. 4,8 Kilometer wären sicher erlaufbar gewesen, dass gerade um die Kurve biegende Taxi war aber sehr verlockend. Ich halte noch mal fest 4,8 Kilometer wären es gewesen. Der Taxifahrer verstand genau wo wir hinwollten und machte keine Anstalten das abzulehnen oder uns auf irgendwas hinzuweisen, stattdessen quälte er sich für immerhin 8 Euro durch den Stadtverkehr, um uns dann am Ufer der Lagoa dos Patos an einer Straßensperre rauszuwerfen. Näher käme man nicht an das Stadion. Dies in Zweifel zu ziehen stand uns nicht an, war es an dieser Stelle dank dutzend Angehöriger unterschiedlichster Ordnungskräfte auch kaum zu übersehen. Ein kurzer Faktencheck bezüglich der verbleibenden Wegstrecke brachte dann mit 4,1 Kilometer eine gewisse Ernüchterung. Was ne sinnlose Taxifahrt aber so hatte man Gelegenheit ein wenig am Ufer des Rio Guaíba lang zu schlendern. Dieser Rio Guaíba ist eigentlich kein wirklicher Fluß sondern das Zusammenflußgebiet von 5 Flüssen. Und wenn man mal ganz ehrlich ist, ist es nicht schön anzusehen. Was ne Brühe, dafür aber ziemlich naturbelassenes Ufer. Auf dem Weg hin zum Stadion gings auch am Fan Fest vorbei bzw. für uns mittendurch weil es einfach kürzer war. Die Einlasskontrollen waren hier deutlich schärfer als in allen bisherigen Stadien. Hier war überhaupt noch nichts los und so sparten wir uns auch jeglichen Aufenthalt. Mir ging das Dahingebummele ehh schon leicht auf den Zeiger und so nutze ich die nächstbeste Gelegenheit zur Verabschiedung. Und diese ergab sich als wir auf den Marsch der Holländer trafen. Hab zwar unter anderem beim EM-Spiel 2004 in Porto gegen unsere 11 schon deutlich mehr von denen gesehen, aber auch das hier war nicht ganz unbeeindruckend. Hat halt wirklich jeder Orange an, während unser Block erstmal in den Heim- und Auswärtstrikots der letzten 5 Dekaden glänzt, was alleine ja schon einen ganz schönen Farbfasching darstellt. Außerdem wird das ganze dann meist noch durch diverse Club-Trikots farblich aufgewertet. Schön bunt aber halt nicht so „Wie eine Wand hinter der Mannschaft“ wie bei den Käsespezialisten. Der Marsch wurde begleitet durch allerlei Musikkapellen, Kleinkünstlern, Tanzgruppen und Schaulustiger. Leider war nicht rauszubekommen, ob das alles von den Fans selber organisiert wurde. Für Auge und Ohr war auf jeden Fall was geboten und für die Nase und den Magen auch, wurde es je näher man dem Ground kam, auch an den Straßenrändern voller. Was hier für Fressbuden standen und was für Unmengen unglaublich lecker aussehendes Fleisch hier gebrutzelt wurde, war schon geil!

Aber die alte Uhr tickte unaufhörlich weiter und die anstehenden Massen, sowie das zu schießende Mittellinienbecherfoto ließen mich den Schmaus auf nach das Spiel verschieben. Von außen fiel sofort die weiße aber recht aufwendige Dach- und Verkleidungskonstruktion auf, die mich spontan an das Nelson-Mandela-Bay – Stadion in Port Elizabeth erinnerte.

Bei einem direkten Bildvergleich waren die Ähnlichkeiten nicht mehr so gravierend, wie ich sie davor stehend empfand, aber auf jeden Fall auch zu erkennen. Offensichtlich auch für die Kollegen aus Nordhausen, kam doch von dort noch während des Spiels die Frage, ob das nur im TV aussehe, wie in Port Elizabeth. Das mittlerweile zur Routine gewordene Programm von Bierkauf, Becherfoto, Stadionrunden etc. abgespult, gabs heute ne Menge zu quatschen. Irgendwie sind die Aussies nicht nur lautstarke Fans sondern auch unglaublich kommunikationsfreudige Zeitgenossen. Einen davon hatte ich dann für den Rest des Spiels an der Backe und war so gut, vielleicht etwas zu gut unterhalten. Großer Vorteil war, dass ich ein paar Fragen zu Spielern, deren Heimmannschaften und zum im Januar anstehenden Asian-Cup loswerden konnte. Alles was er selbst nicht wusste, beantworte eine direkt vor uns sitzende 4-Kopf Expertengruppe aus Allesfahren und den australischen Fußball betreffend auch Alleswissern. Das Spiel tat sein übriges zur heiteren Gesamtsituation bei, war es doch neben dem Deutschlandlandspiel das beste bisher, dem ich beiwohnen durfte. Die Holländer etwas ballsicherer und kontrollierte im Spielaufbau auf der einen Seite und aufopferungsvoll kämpfende und das Beste aus Ihren Möglichkeiten machende Australier auf der anderen. Auf Grund der offenen Anfangsphase und der besseren Torchancen für die Socceroos machten die sicher an die 10000 Australier auch gut Stimmung. Die wurde in der 20 Minute beim 1:0 der Holländer kurz getrübt, kam aber zwei Minuten später umso stärker zurück, als Cahill mit einem absoluten Traumtor zum Ausgleich einnetzte. Unentschieden zur Halbzeit, geniale Stimmung, wieder erwarten geniales Wetter, ein Traumtor und die Holländer nicht in Führung. Viel besser hätte es für mich nicht laufen können. Auch die zweite Halbzeit bot ein Einsatz- und Chancenplus für die Jungs von Down Under, welches dank eine etwas übertriebenen Elfmeterpfiffs sogar zur Führung für Australien reichte. Nun natürlich völliger Alarm im Rund und auf dem Rasen. Leider reichte es am Ende nicht und spielerisch unverdient und auch von mir überhaupt nicht gegönnt, sicherten sich die Deichkinder doch noch den Sieg. Auf dem Weg nach draußen meinen kanadischen Holländer wieder getroffen, nun mit einem amerikanischen Holländer aus LA. Okay als Kanadier hast es echt schwer Fan von deiner Fußballnationalmannschaft zu sein aber was treibt einen Ami dazu, der Elftal zu folgen. Die Erklärungsversuche, von wegen als er Fan wurde, war das US-Team international noch nicht so erfolgreich, überzeugten mich nicht vollständig, vor allem such ich mir dann doch nicht HOLLAND aus. Mit denen auf jeden Fall auch nochmal ne kleine Ewigkeit über nordamerikanischen Ligafußball philosophiert und so die letzte Chance auf etwas vom Straßenrand-BBQ verspielt, denn die hatten alle! Das ist auch so ein Phänomen im Stadion. Kurz nach Schlusspfiff sind hier alle Stände zu und die fliegenden Händler ausverkauft. Zumindest wird das behauptet. Auf die Frage, warum denn dann noch hunderte Becher rumstehen, wenn das Bier alle ist, gleichzeitig aber keine Dosen rausgegeben werden dürfen, gibt es selbstverständlich nicht mehr als ein No!

Dann also No! zu Geld verdienen. Nach den Spielen sind die Leute hier noch ewig im Stadion bzw. auf den Vorplätzen und lauschen der noch laufenden Musik, quatschen, drehen Stadionrunden, fotografieren, sammeln Tickets und nicht wenige wollen wie ich nach dem Kick noch ein Bier. Da in fast allen Spielorten auch nach dem Abendspiel noch deutlich über 20 Grad waren, auch nicht ganz unverständlich, dass man da gerne noch ein Kaltgetränk einlassen würde. Und kalt sind die Getränke hier, absolutes Lob. Selbst die Leute mit dem Bauchladen bzw. Ständen auf Rädern bekommen das mit Isolierkiste und Eiswürfeln genial kalt. Ich drehte noch eine Runde durch die recht ansehnliche Innenstadt und dann via Shuttle zurück zum Flughafen. Praktisch ein Hotel während der WM in Flughafennähe zu haben. Kurze Wege bei An- und Abreise und perfekte Verkehrsanbindung zum und vom Spiel. Im Terminal sollte es dann meinen wohlverdienten Mampf bei einem ganz leckeren Buffetladen geben. Wer sich das von den angeblich so armen Einheimischen allerdings leisten können soll, ist mir ein Rätsel. Das Ambiente hier gab keine Rätsel auf. Bequeme Stühle, Steckdose in Kabellängenentfernung, lecker Mampf, kühles Bier und eine riesige Leinwand mit dem Rest von Kroatien-Kamerun. Danach entschied ich mich ausnahmsweise mal für Ausschlafen und verabschiedete mich in die noch nicht ewigen Hoppergründe!


Teil 1: Auf nach Brasilien!
Teil 2: 14.06.2014 Kolumbien – Griechenland, Estadio Mineirao – Belo Horizonte
Teil 3: 15.06.2014 Schweiz – Ecuador, Estadio Nacional – Brasilia
Teil 4: 16.06.2014 Deutschland – Portugl, Arena Fonte Nova – Salvador
Teil 5: 17.06.2014 Russland – Südkorea, Arena Pantanal - Cuiaba
Teil 6: 18.06.2014 Australien – Niederlande, Estadio Beira-Rio – Porto Alegre

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