16.06.2014 Deutschland – Portugl, Arena Fonte Nova – Salvador

Wenn ich beim Aufwachen schon gewusst hätte, was ich beim Schreiben weiß, ich wär wahrscheinlich noch motivierter in den Tag gestartet. Aber auch so war schon gut. Lange und fest gepennt, dadurch ziemlich fit aber auch hungrig, begab ich mich nach unten, um das ibis-Frühstück zu checken. Alles da was das Herz begehrt, solche Auswahl hat man auf CL-Auswärtsfahrten nach Italien, Frankreich, Spanien nicht in deutlich besseren Hotels. Einzig die Tatsache, dass Maracuja-Saft hier die zwei Geschmacksrichtungen sauer und bitter miteinander Vereinte und wie alles schmeckte, nur nicht wie ein leckerer frühstückstauglicher Obstsaft. Wer weiß, was uns da in Deutschland als Maracujasaft aufgetischt wird, oder was heute Morgen hier in der Küche schief gelaufen ist. Das komplette Untergeschoss, samt Frühstückssaal, Rezeption, Aufenthaltsbereich und Bar war ein einziges Gewusele aus nahezu 100% WM-Touristen, darunter auch etliche Deutsche.

Egal wie, wann und womit ich heute Richtung Stadion aufbrechen wollte, irgendwer will dafür sicher Geld haben. Und nein Laufen war KEINE Option! Und das Thema Geld war aktuell ein recht schwieriges. Gestern Abend am Airport auf die schnelle keinen ATM gefunden und auch nicht wirklich Lust und Muse gehabt intensiver zu suchen, ging mein letztes Bares an den Kollegen Taxifahrer. Also mal die recht taffe Hoteltante angesprochen, die das gestern Abend alles so gut gehandelt hat. Wieso zum Geier hat die eigentlich noch oder schon wieder Dienst? Hätte mich eigentlich schon interessiert, aber nicht so brennend, als das ich das vor der Lösung meiner Bargeldprobleme thematisiert hätte. Bargeld im Hotel gibt’s nicht, weder gewechselt, noch aus nem Automaten aber 8 Minuten aus der Tür raus links wäre ein Outlet-Center mit nem Automaten. Nagut, versuchen kann man es ja mal, speziell wenn die Alternativen so rar gesät sind. Auf halber Strecke stand da noch ein Mecure rum, aber auch die hatten weder nen Automaten, noch die Absicht etwas zu wechseln und auch auf Anhieb keine andere Idee als das Outlet-Center. Warum auch immer, ich das schon von der ersten Sekunde an geahnt hatte, sagten die beiden Automaten zwar noch nett Hallo zu mir, mehr aber auch nicht mehr. Naja irgendwas noch wie, „steck dir diese Karte wohin du willst, nur nicht in mich rein“.

Zurück Richtung Hotel kam mir die Idee ja vielleicht im Mercure ne Taxifahrt mittels Karte bezahlen zu können und einmal am Airport findet sich auf jeden Fall ein gängiger Automat oder ne Wechselstube. Taxifahrt buchen ging zwar nicht, aber die konnten mir ein Taxi mit Kartenzahlungsmöglichkeit bestellen. Gebongt. Schnell noch die wichtigsten Dinge in die Schultertasche und ab geht er, diesmal in entgegengesetzter Richtung durch die Bambus-Allee. Wirkt bei Tag ganz anders als bei Nacht aber nicht minder schöner. In und um das Terminal war auch hier ne Menge los, scheint wohl ein paar zu interessieren der heutige Kick. Mich interessierte aktuell nur meine Cash-Flaute und so intensivierte ich die Automatensuche und wurde schnell fündig. Beim 53-größten Unternehmen weltweit (Stand 2011) bekam ich dann auch Geld und hab somit meinen Teil beigetragen, dass nächstes Jahr ein bissel mehr rausspringt als lausige 20,65 Mrd. $ Gewinn. Macht der Zusatz vor Steuern hier überhaupt irgendeinen Sinn? Wäre ja einer der wenigen Konzerne, die das nicht irgendwie rund um den Globus geschickt verteilt so verschleiern, dass am Ende rauskommt, dass man da auf gar keinen Fall steuern erheben kann. Okay zurück zu meinem Hosentaschen-Haushalt, der war jetzt wieder ausgeglichen bzw. wies ein deutliches PLUS auf.

Die Kollegen, die schon hier waren und der Robben / van Persie – Gala am Freitag beiwohnten, berichteten etwas von einem Shuttlebus, der an Spieltagen den Flughafen mit der Arena Fonte Nova verbindet. Dank eigener Spur, soll der die 25 Kilometer in einer annehmbaren Zeit überwinden. Dank eindeutiger T-Shirts waren die Ticketverkäufer schnell ausgemacht, die 20 Real für Hin- und Rückfahrt gelöhnt und auch der Bus bzw. die Schlange an einem selbigen gefunden. Und bis sich diese Schlange in den Bus gequält hat, dauerte unfassbar lange. Für mich auch völlig unerklärlich, was da so lange dauern kann, in die Quere kann sich keiner kommen, da Einsteigen nur über die hintere Tür erlaubt war. Als ich dann beim nächsten Bus an der Reihe war, konnte ich sehen, wo das Lebenszeitverheizkraftwerk war. Im Bus direkt nach den 2 Stufen hinter der hinteren Tür war eine Art Gitterrohrkäfig mit Drehkreuz, mit einem ebenfalls vergitterten dedizierten Sitzplatz für eine „Ich schau Dir zu und helfe ggf. wenn Du zu doof bist, die eben erworbene Fahrkarte in den deutlich zu erkennenden Schlitz zu stecken“ – Tante. Der Gitterkäfig bzw. ein Strang davon zog sich noch fast bis zur Busmitte hin, sodass derjenige der einsteigt, erst das Schauspiel am Drehkreuz hinter sich bringen muss, dann bis zur Busmitte vorlatschen, dort um das Gestänge herum und dann wieder ans Busende! Oh man. Mal abgesehen davon, dass ich den Sinn von dem weitergezogenen Käfig gar nicht erkannt habe, stelle ich auch schon das dämliche Drehkreuz in Frage, speziell wenn ehh jemand dasitzt. Das ganze Gerümpel aus bzw. nie eingebaut hätten sicher 20-25 Leute mehr reingepasst. Leider war mir zu warm und ich zu faul das abzulichten. Heute ärgere ich mich! Nicht zu faul war ich beim Versuch die Bambusallee heute abzulichten, ist kein Hammerfoto geworden, aber man kann glaube erahnen, wie es aussah! Ich fand es sehr schick und ich könnt mir vorstellen, dass es weniger tödlich als ein Baum ist, wenn man davor fährt. An die Stadtplaner-Kollegen, die nach dem gestrigen Bericht aus Brasilia sich die Stadt schon von oben angeschaut haben, bitte mal prüfen, ob Bambus in der richtigen Dichte und Entfernung zur Straße nicht eine perfekte biologische Leitplanke sein könnte!

Die ersten paar Kilometer wurde eine recht unspektakuläre Ausfallstraße befahren, die auch wieder an meinem Hotel vorbeiführte. Später ging es dann in den in den Stadtverkehr über und man konnte sich einen ganz guten Überblick verschaffen. Wie mittlerweile schon oft gesehen wechseln sich auch hier ultramoderne Shopping Malls und Bürotürme sehr dicht mit ziemlich gammeligen, alten Wohnhochhäusern ab. Das ganze „aufgelockert“ doch richtig gammelige und zerfallene kleinere Hütten. Hier in Salvador kommt, zumindest für den Verkehr sehr positiv, hinzu, dass das Ganze durch richtige breite Straßen mit dicken fetten Autobahnkreuzen mitten in der Stadt zerschnitten wird. Für mich ne ziemlich zwiespältige Geschichte, ich konnte nicht sagen „au Backe bloß schnell weg hier“ (wie z.B. auf dem Weg mit dem Zug vom Moskauer Flughafen durch die äußersten Vororte) aber es sagte auch nix „schade, dass ich so wenig Zeit habe, hier würd ich jetzt gerne mal raushüpfen und mich ein wenig umsehen! Die eingerichtete Extraspur für Omnibusse, ja hier gibt es das schöne Wort noch, was jedes Kind aus der Zone sicher noch kennt, heute im Alltag leider kaum noch Verwendung findet (gibt es eigentlich irgendwo, irgend jemand, der sich um solche Worte kümmert? Omnibus, Kaufhalle, Polyklinik, Wandzeitung), tat weite Strecken einen guten Dienst und man kam schneller voran als der restliche Individualverkehr. Leider hat man auf der Strecke 3 Stellen eingebaut, wo man die restlichen Spuren kreuzen musste, ohne, dass die Vorfahrt hier eindeutig oder gar durch einen Beamten geregelt worden wäre. Chaos pur und von außen betrachtet völlig unnötig, aber da sag ich mal, fehlt mir sicher ein Detail und das wird schon seine Richtigkeit haben. Kein Detail fehlte mir und da hatte auch nichts seine Richtigkeit, als wir am Stadion ankamen.

An zwei dicht aufeinanderfolgenden Kreisverkehren mussten wir wenden, da ca. 500 Meter in die Richtung aus der wir kamen die Haltestelle eingerichtet war. Schon in der Straße standen 3 leicht exklusivere Shuttlebusse, die ihre Passagiere schon ausgespuckt hatten und in entgegenkommender Richtung von dannen ziehen wollten. Einer der 3 Busse hatte sich schon aus der Haltestelle in den Kreisverkehr begeben, kam dort aber auf Grund von Stau zum stehen. Der Stau bildete sich übrigens direkt hinter uns, die wir gerade aus dem Kreisverkehr rauswollen. Hätte jetzt kein Mensch eingegriffen, wäre alles seinen geregelten Gang gegangen bzw. gefahren. Wir wären hinter dem ersten schwarzen Bus in unsere Zielstraße gefahren, alle anderen hinter uns her, der erste schwarze Bus richtig in und dann gleich wieder aus dem Kreisverkehr raus und seine beiden Kollegen hinterher. Aber nein, ein bis zur Unkenntlichkeit verkleideter, gepanzerter und bewaffneter Militärpolizist hatte einen Plan! Sonst wahrscheinlich mit dem Säubern von Favelas und dem Auflösen von Protesten beschäftigt, hielt er sich für prädestiniert auch den Kreisverkehr zu befrieden. Und da Ordnung oberstes Gebot ist, wollte er auch hier Ordnung herstellen und alle 3 schwarzen Busse zusammen losfahren lassen. Sofort als er mit erhobener Hand auf unseren Bus zu kam und uns bedeutete zu warten , kam mir der Gedanke „er wird doch jetzt nicht etwa…“, doch er wird. Uns stoppend winkte er die anderen beiden schwarzen Busse aus der sicheren Parklücke in den Kreisverkehr und die folgten natürlich brav. Ergebnis? Meine Datenbank und Programmierkollegen würden wohl von einem ausgewachsenen Deadlock sprechen. Nichts ging mehr! Wir kamen keinen Millimeter mehr weiter, weil wir nun direkt vor uns den schwarzen Bus Nummer 3 hatten. Schwarzer Bus 1 kam immer noch keinen Millimeter vorwärts, weil der immer noch die Fahrzeuge vor sich hatte, die direkt hinter uns standen. Absolute Glanzleistung vom Dispatcher, der natürlich überhaupt nicht realisierte, dass er an der Lage maßgeblichen Anteil hatte. Seine Aufgabe war erledigt, alle schwarzen Busse standen noch in Reihe und gut! Da war auch nach Minuten noch überhaupt kein Bewusstsein, dass hier irgendwas nicht stimmen könnte oder gar, dass er es verursacht hätte. Stau halt, kommt ja täglich vor! Ahhhh das schmerzt, wenn du da in nem mittlerweile echt heißen Bus, 500 Meter von Deinem Ziel entfernt sitzt und so sinnlos aufgehalten wirst. Selten jemanden so gerne situativ eine vor die Rübe gegeben. Bei seinem Verständnis von Recht und Ordnung wäre das aber sicher tödlich ausgegangen. Irgendwann hat dann irgendwer endlich erkannt, dass das kein normaler Stau ist, der sich schon zu gegebener Zeit auflösen wird und hat begonnen den schwarzen Bus Nummer 1 an der nächsten Einfahrt in den Kreisverkehr rückwärts raus zu navigieren. Dazu sind alle noch etwas dichter zusammengerückt, was dann gereicht hat, dass Bus 2 und 3 soweit in den Roundabout reinkonnten, dass wir uns über den Bürgersteig an denen vorbeischeiben konnten. Leck fett! Tür auf und der Ausschilderung folgend flinke Füße gemacht, wartete doch ein sich sicher schon füllendes Stadion darauf möglichst leer fotografiert zu werden. Von einer Brücke hatte man dann einen ganz schicken Blick auf das Stadion.

 Nur die zur WM aufgestellten Presse-, VIP- und Versorgungszelte sowie die umherstreunenden Menschenmassen trübten das Bild ein wenig. Eingang war schnell gefunden und der erste Schock über die lange Schlange verflog recht schnell, weil das zum wiederholten Male wirklich astrein organisiert war. Auch hier wieder Taschen durchs X-Ray und jeder Zuschauer durch die Metalldetektorenschleuse und trotzdem lief das wie am Schnürchen. Sehr weitläufig aufgestellte Gatterwege, die leer ziemlich absurd aussahen, taten ihr übriges fürs gefühlt flotte Vorrankommen. Vom Außenbild bis zum Mittellinienbild vergingen exakt 18 Minuten, das bekommt man in Erfurt nicht bei nem Kick gegen Stuttgart 2 vor 4500 Zuschauern am Eingang Thüringenhalle hin. Drinnen dann das mittlerweile übliche Prozedere. Lokale Bier im schicken Spielpaarungsbecher gekauft, an gelangweilten bzw. nicht sinnlos kleinlichen Ordnern vorbei in den Block an der Mittellinie auf der Gegengeraden und Becher-Mittellinienfoto gemacht! Danach Stadionrunden gemacht und Ausschau nach deutschen Kollegen sowie Steckdosen gehalten. Mein Apfel hält mittlerweile bei aus meiner Sicht durchschnittlicher Benutzung keine 10 Stunden mehr, da muss man schonmal bissel vorrausschauend unterwegs sein! Da auch heute leider ausreichend Plätze frei blieben, suchte ich mir wieder etwas in einer Kategorie über meiner Karte, vor allem aber mit einer besseren Übersicht über das Geschehen auf dem Rasen. Ich stimme jetzt nicht in das Social Media – Gesülze ein, dass sich halt kein armer Brasilianer leisten kann, zu so nem Spiel zu gehen, es waren alle Karten verkauft / vergeben! Punkt! Warum allerdings nicht mal so ein Spiel annähernd komplett besucht wird, würd ich auch gerne wissen. Wenn Sponsorenkarten nicht eingelöst werden oder jemand seine vor 10 Monaten gekaufte Karte nicht nutz, wenn dann das Los auf doof gegen blöd fällt (hab jetzt extra keine Länder niedergeschrieben, die ich fußballerisch dazu zählen würde), kann ich leicht nachvollziehen. Aber wie viel mehr als der zukünftige Weltmeister gegen das Heimatland meiner Muttersprache, die nebenbei ja auch nicht für abartig schlechten Fußball bekannt sind, geht noch! Brasilien gegen Argentinien für die Kollegen hier unten, okay. Aber dass wäre schon sehr eingeschränkter Horizont, nur darauf zu hoffen bzw. sich für nix anderes begeistern zu können. Sei es drum, es war ja nicht wirklich leer, nur halt dem Ereignis nicht angemessen. Heute gibt’s zum Spiel selbst wirklich nur ganz wenig, denn wer diese Zeilen liest aber das Spiel nicht gesehen hat, ist mir suspekt. Nach so nem Ergebnis verbietet sich jede Kritik am Trainer, ich könnt trotzdem kotzen, dass Lahm Mittelfeld spielt und Schweinsteiger dafür draußen bleiben muss! Wenn sich das mal nicht rächt, dass ihm Lust und / oder Spielpraxis fehlen, wenn wir ihn, ob aus taktischen oder verletzungsbedingten Gründen, brauchen! Nicht einmal eine eventuelle Verletzung Hummels (die laut den mir hier unten zugänglichen Medien, heute noch zur Diskussion stand), scheint er Lahm zurück zu ziehen. Zweiter Punkt zum Spiel und der ist ausschließlich für Kapser, Arbeitskollege Thomas und Bobse selbst, er hat gut und vor allem ohne entscheidende Fehler gespielt. Letzter Punkt zum Spiel Peng!!!! Es hat gehörig gemüllert!

Zum Drumherum gibt’s aber noch ein paar Worte. Das erst Erwähnenswerte war zweifelsohne der Portugiese eine Reihe hinter und 5,6 Plätze neben mir, der die Hymne mit einer derartigen Inbrunst hinschmetterte, dass nicht weniger als 15-20 Handys auf ihn gerichtet wurden! Wer im Positiven so emotional ist und das auch zeigen kann, ist das oft auch im Negativen und so hat er das Spiel nicht zu Ende gesehen, zumindest nicht hier im Block, denn beim dritten Deutschen Tor tobte er sich etwas wild an seiner Sitzgelegenheit aus, so wild, dass diese in viele kleine Teile zersplitterte. Das nächste was auffiel war die Tatsache der fehlenden Fankurven. Gelang es den Deutschen gerade so einen kleinen Block zusammenzustellen, suchte man den auf Seiten der Portugiesen vergeblich. Sehr schade aber wohl der Preis von über 10000 Kilometern Entfernung von zu Hause. In der Halbzeitpause dann nochmal auf die Suche nach bekannten Gesichtern gegangen, aber nicht wirklich viele getroffen, einen aber treff ich mit schon erschreckender Verlässlichkeit, sei gegrüßt H96-Linke! Auch die Suche nach ner Steckdose blieb recht erfolglos, dafür landete ich ausversehen in einem VIP-Bereich. Und das ausversehen ist wörtlich, nicht ironisch zu nehmen. Bin im Unterrang durch eine nicht verschlossene, nicht bewachte Tür gegangen und im Treppenhaus nach oben, immer noch auf der Suche nach Strom, wo dann eine weitere unverschlossen und unbewachte Tür in diesen Bereich führte. Hat nicht wirklich lande gedauert zu erkennen, dass hier was anders ist. Während „draußen“ in der Halbzeit Menschenmassen nach Essen und Trinken anstehen, standen hier Massen an Essen und Trinken rum und warteten auf Menschen. Außerdem hatte jeder ein blaues Bändchen am Arm und bei deutlich über 20 Grad trug auch jeder kurz, so dass die Handgelenke gut zu sehen waren. Auch meine und damit das fehlende Bändchen. Da ich keinen Bock auf Diskussionen aber um so mehr auf zweite Halbzeit hatte, suchte ich schnell nen Ausgang, auf dem gleichen Weg zurück fällt aus, weil Jungs nie den gleichen Weg zurück wie hin nehmen und weil ich den zweiten Durchgang auch wieder aus dem Oberrang verfolgen wollte. Eben jener wurde dann ganz entspannt von der entgegengesetzten Seite zur ersten Halbzeit exakt Höhe Mittellinie verfolgt und noch das eine oder andere Kaltgetränk verzehrt, stand doch ein Bierkollege wenige Meter von mir entfernt. Als er sich mal kurz „entfernen“ musste, hab ich seinen tragbaren gekühlten Bauchladen gehalten und so kamen wir nach seiner Rückkehr ins Gespräch. Auf die Frage, ob sein Job so gedacht wäre, dass er hier das ganze Spiel an ein und demselben Fleck steht und faktisch darauf wartet, dass die Kunden zu ihm zu kommen bzw. sich aus seiner nahen Umgebung herbeiwinken zu lassen, meinte er freundlich aber deutlich, das ihm das herzlich egal wäre, er wäre zum Spiel kucken hier und nicht zum Arbeiten. Ist wohl nicht provisionsabhängig und so macht er sich da ein paar schöne Tage und hat ja mit Spanien- Niederlande und Deutschland-Portugal nicht ganz tief ins Klo gegriffen. Beim Achtel- und Halbfinale denkt er auch wieder dabei zu sein und dann ja vielleicht sogar mit seiner Seleção.

Nach dem Spiel hatte ich ganz viel Zeit, steht ja heute ausnahmsweise keine Weiterreise auf dem Programm und so gabs noch 1,2 Stadionrunden mit Fotostopps und auch endlich eine Steckdose, die mich in die Lage versetze handheldgestützt zu schauen, ob hier fußläufig noch irgendwas zum Anzuschauen erreichbar wäre. Ggf. fällt dann ja auch endlich mal ein zünftiges brasilianisches Fleischgelage ab. Und siehe da, die Altstadt war nur etwas weniger als 4 Kilometer entfernt und mit dem Elevador Lacerda, einem ziemlich großen Fahrstuhl zum Verbinden zweier Stadtteile mit gut 70 Meter Höhenunterscheid, war auch ein konkretes Ziel gefunden. Die ersten 2 Kilometer sollte der Weg auf einer der Hauptrouten weg vom Stadion führen und so waren tausende Leute mit mir unterwegs und die Straßen alle paar Meter von diversen Ordnungshütern gesäumt. Banken und öffentliche Einrichtungen auch wieder etwas intensiver gesichert. Hinzu kam hier noch, dass die Kaliber der Waffen bisher hier noch nicht gesehene Ausmaße annahmen. Ansonsten wieder mal ne Gegend, die in keine Schublade passen will. Total niedlicher und sympathischer Obstladen reiht sich an verfallenes Wohnhaus. Eben noch verweilen und schauen, im nächsten Moment flinke Füße machen wollen. Ich glaube, um das hier richtig zu kapieren, müsste man sich das mal intensiv und in Begleitung eines Einheimischen antun bzw. drauf einlassen. Nach etwas über der Hälfte des Weges befahl dann mein Handheld vom vielbelebten Weg abzubiegen. Und schon schlug die Macht der Medien wieder zu. Zugegeben, die Straße, die ich laut Navi zu nehmen hatte, sah nicht einladend aus aber ich bin z.B. in Vietnam, Thailand, Indonesien, Moldawien und zuletzt erst im Dezember in Marokko schon definitiv finsterere Straßen langgegangen ohne mir den Hauch einer Platte zu machen. Und hier hab ich mich ob der dank der Vorberichte gebildeten Meinung dabei erwischt über Umdrehen nachzudenken. Mich kurz dafür hassend, hieß es Hände geballt in die Hosentaschen, freundliches Face aufgesetzt, zügigen aber nicht gehetzten Gang eingelegt und weiter nach Plan. Selbstredend hat auch niemand versucht diesen Plan zu zerstören und so stand ich wenige Minuten später auf einem kleinen Platz vor dem Elevator, auf dem sich außer mir noch ein paar weitere Touristen tummelten. Außerdem gabs hier noch ein ziemlich ansehnliches Gebäude mit 2 großen steinernen Vögeln auf dem Dach, die mich irgendwie an Sporting Lissabon erinnerten.


Mit dem Fahrstuhl so dacht ich mir, fährst doch mal runter, vielleicht gibt’s da ja auch noch was zu gucken und wenn nicht, Taxi und ab ins Hotel. Morgen heißt es wieder früh raus. Schon im Häuschen drin, hab ich mir die Unterstadt durch das Fenster noch mal etwas genauer angeschaut und entschieden, dass man für nichts das Schicksal sinnlos herausfordern muss. Wenn mir ein lohnendes Ziel bewusst gewesen wäre, hätte ich mich wohl abwärts begeben. Ohne selbiges drehte ich am Ende der Schlange stehend um. Nur Minuten später kommentierte Kollege Rainer meinen Facebookpost zum Fahrstuhl mit folgenden Worten, Zitat:“ Unser Guide meinte nur, das am Fuße des Aufzugs der Spaß für Touries vorbei sein könnte!?! Aufpassen!“. Klingt nach „Alles richtig gemacht!“

Also noch ein wenig über den Platz geschlendert und ein paar Minuten das Treiben beobachtet und mich dann für ne Dusche, für Essen und für ne längere Nacht entschieden. Der Taxifahrer hatte es sich gerade bequem gemacht, den Fernseher!!! Eingeschaltet und den Stuhl etwas zurückgeschoben. Sah jetzt aber nicht unfassbar traurig aus, Geld verdienen zu müssen. Auf Grund des Fußballspiels kam es noch immer zu massiven Verkehrsbehinderungen, obwohl schon seit 3 Stunden zu Ende. Daher gab es jetzt noch eine Stadtrundfahrt hintenrum und die zweite Halbzeit von Iran gegen Nigeria. Ganz schön dekadent, Live-TV in nem Taxi in Brasilien.


Im Hotel dann schnell frisch gemacht und runter ins „Restaurant“ und dort erstmal schnell ein Bierchen bestellt und versucht der Karte etwas zu entlocken. Die Sprachbarriere war auch wieder unüberwindbar und so wurde es das einzige Gericht, was ich erkannt habe. Spaghetti Bolognese, scheint im Portugiesischen nicht viel anders zu heißen. Mit etwas Zeitverzug, weil mit 5 Gästen vollends überfordert ging dann der Kellner an die Zubereitung meiner Speise. Ja genau, richtig gelesen. Er servierte und kassierte nicht nur ab, nein er bereite auch zu. Und wie! Aus der Tiefkühltruhe ne Packung geholt, die aufgemacht und die herausfallenden 3 Tüten in der Mikrowelle warm gemacht. Danach die Tüten versucht aufzuschneiden, Pfoten verbrannt, kurz ausgerastet, anderen Gast bedient, weiter rumgeschnippelt, irgendwann auf nen Teller ausgeschüttet und verrührt! Sehr lecker, das Ganze 30 Zentmeter vor meinen Augen. Während des ganzen Prozedere kam dann noch ein Deutscher an die Bar, den man in Fankreisen gemeinhin als Neckermann bezeichnet. 60 Jahre, Stoffhose, Trikot, Schal und ein Base-Cap mit Pins der gefühlt letzten 200 WM’s. Dann noch nen Fastaufstand gemacht, weil die Biersorte, die er die letzten beiden Abende getrunken hatte, gerade nicht verfügbar war, hatte ich ihn schon fast in mein Herz geschlossen. Im späteren Verlauf bekam er aber einen Teller mit übelsten Leckereien serviert, worauf ich nachfragen musste, welches Gericht auf der Karte das denn sei. Aus der Antwort, es stand natürlich nicht auf der Karte, entwickelte sich dann ein nettes Gespräch, das zwar den Eindruck eines Prototypen-Neckermann verstärkte, aber einen netten, der auch was zu erzählen hatte. Irgendwann war dann aber auch alles erzählt, was man sich bei so einer Gelegenheit halt erzählt und für mich gings in die Falle!

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