15.06.2014 Schweiz – Ecuador, Estadio Nacional – Brasilia

Guten Morgen und Grüezi Miteinander, was ne geniale Nacht mit ausreichend Schlaf! In einem zwar winzigen aber top ausgestatteten Zimmer und das Beste kommt erst noch. Eine sehr wohlwollend proportionierte Dusche ohne jegliche Stufe, Tasse, Kabine, whatever und mit Urwalddusche-Duschkopf. Ob ich hier je wieder rauskomme?

Hat ne Zeit lang gedauert, aber irgendwann wurde die Haut dünn und so 13:00 Uhr Spiele setzen einen am Morgen ganz schön unter Druck. Aus der Dusche raus, erstmal der große Schreck. Zuerst gewundert, dass das Licht am Spiegel nicht ging und dann die sperrangelweit offene Zimmertür gesehen, samt ausgeschalteten Hauptschalter. Schon das zweite Mal auf der Tour äußerster Gefechtsalarm! Tür zu und zu den Sachen gehastet, Handy mit allerlei Zahlungsmitteln check, Eintrittskarten check, Reisepass check, Kamera check, alles andere wäre relativ egal gewesen aber auch das war noch da. Keine Ahnung, wer genau da Tür auf und Hauptschalter ausgemacht hat, aber irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass die Urwalddusche mich exakt im richtigen Moment ausgespuckt hat. Vielleicht einen Ticken früh, 20 Sekunden später, hätte vielleicht jemand mit meiner Kamera in der Hand meine, durch ausreichend Schlaf und eine erquickende Dusche, zurückgewonnene Agilität zu spüren bekommen. Am Ende war es so herum aber sicher besser und beim genauen Lesen des an der Innenseite der Zimmertür angebrachten Schildes, hätte ich auch davon ausgehen können. Wird dort doch explizit darauf hingewiesen, die Tür immer sofort nach Betreten des Zimmers zu verriegeln und auch nicht auf irgendwelche Klopfzeichen hin zu öffnen. Wenn Essen hochgebracht wird oder etwas anderes ansteht, gibt es vor dem Türklopfen ein Anruf durch die Rezeption. Alles klar! Fehlt noch, dass man beim Einchecken ne Parole ausmacht, damit man auch die Echtheit des Anrufes verifizieren kann. Hallelulia, nochmal zur Erinnerung, ich befinde mich nicht in einem Camp in Mogadischu sondern in der Hauptstadt eines Möchtegern-Erstewelt-Staates und da im wahrscheinlich besten öffentlichen Stadtteil des ganzen Landes. Vom Schreck erholt erstmal auf den Balkon und schauen wo der Krach herkommt und wow, was ein Bild!

Wirklich ne coole Gegend hier. Bissel wenig saftiges Grün aber sieht so aus, als wenn auch hier die Landschaftsgestalter nicht ganz fertig geworden sind. Der Krach kam übrigens von hunderten Polizisten, die hier schon im Vorfeld des anstehenden Spieles ihr Quartier rund um den Fernsehturm einrichteten, Straßensperren aufbauten und den Fuhrpark positionierten. Ganz schön viel Mensch und Gerätschaften, die hier aufgefahren und Geflogen wurden. Am Himmel befanden sich nämlich auch schon 2 Helis, die auch den ganzen Tag, abgesehen von 2-3 Tankstopps wahrscheinlich, dort verbleiben sollten. Unter die rege Betriebsamkeit der uniformierten Beamten mischten sich auch schon etliche gelbgekleidete Ecuadorianer. Och nee, nicht schon wieder das ganze Stadion gelb, hier musste Paroli geboten werden. Also mal schnell die Reisegarderobe gecheckt und zum Vorschein kam ein knallrotes Shirt mit weißem „Rennsteig“ – Aufdruck, bei dem zu allen Überfluss das „t“ auch noch aussieht wie ein + und somit absolut passend für das heutige Spiel und meine Sympathiebekundung war. Hopp Schwiiz!

Ein lustiges Feature hatte mein Hotelzimmer auch noch zu bieten, konnte man den Fernseher in der Wand drehen, dass er einmal zum Bett zu zeigt und einmal zum Schreibtisch.

Keine zwei Stunden mehr bis Öffnung der Stadiontore musste ich jetzt zwischen Frühstück und Organisation der Weiterreise wählen, bzw. hatte gar keine Wahl, sollten doch in den nächsten Tagen noch einige Grounds fallen und spannende Spiele besucht werden. Nicht zuletzt greift ja auch die deutsche Elf morgen ins geschehen ein, wo man dank Losglück bei der Spielortzuordnung auch dabei sein sollte. Also Check-Ins gemacht, Abfahrzeiten vom Bus gecheckt, Tipps für Salvador in den sozialen Medien abgegriffen und selbst paar eingestellt. Viel zu kurz vor 11 gings dann runter, auschecken und versuchen das Gepäck loszuwerden. Heute mal richtig professionell mit abgeschlossenen Gepäckraum und Abrissquittung und das ganze auch umsonst. Draußen ging es direkt am Fernsehturm vorbei und ich hatte wirklich Mühe mich seinen Rufen „komm rauf, los komm schon, rammelst doch sonst auf jeden Turm und jedes Haus, was mehr als 100 Meter aus der Erde ragt“ zu entziehen. Aber erstens hatte ich überhaupt keine Zeit und zweitens war der echt hässlich, auch mit dem Wissen, dass der da schon 40 Jahre rumsteht. Das Nationalstadion war wirklich keine 5 Minuten entfernt und so war es auch schon gleich nach dem Passieren des Towers zu sehen. Leider wie auch schon zehntausende Fans. Habt ihr alle kein Zuhause? Auf Anstehen und durch Menschen versaute Stadionfotos hatte ich ja jetzt überhaupt keine Lust, selbst wenn ich ausgeschlafen, geduscht und fit wie ein Turnschuh war. Nicht die erstbeste Schlange genommen, sondern ein wenig ums Stadion herumgelaufen fand sich eine etwas kürzere Schlange, die sich schön im Schatten von und um ein paar Palmen schlängelte. Und was soll ich sagen, hier gings wie das Brezelbacken. Locker 100 Leute vor mir, waren wir keine 10 Minuten später abgefertigt. Die Schlange durfte sich am vorderen Ende auf 4 Sicherheitsschleusen, 2 für Leute ohne jegliches Taschenzeugs und 2 mit X-Ray für Taschen, aufteilen, was reibungslos funktionierte und ratzfatz Einlass gewährte. Bot das Teil schon von außen einen recht imposanten, wenn jetzt auch nicht gerade genialen oder spektakulären Anblick, wurde es drinnen dann doch leicht monumental. Meine Fresse was ein Riesending und was für monströs hohe Säulen.

Für das was hier verbaut wurde, mit 70064 ein recht überschaubares Fassungsvermögen. Mit dem Material hätte man auch locker 2 80000er bauen können! Platz finden war auch hier wieder total easy, und selbst Nixblicker können unter Zuhilfenahme der überall gut sichtbar angebrachten Hinweistafeln eigentlich kein Problem mehr haben.

Gab aber trotzdem wieder genug, die im falschen Block landeten, völlig hilflos umherstanden oder gar nicht erst versuchten den Weg selber zu finden und gleich auf die Ordner stürzten. Apropos Ordner. Bis auf die Pannentante, die mir gestern meine Becher klauen wollte, die ehrlicher Weise aber auch kein Ordner sondern Polizistin war, sind die hier völlig gechillt! Jetzt schon im dritten Stadion keinerlei Kontrollen an den Blöcken, in jedem Stadion komplette Stadionrunde möglich, kein Gegängele, wenn man mal zum Fotomachen auf der Treppe stehen bleibt, nix! Alles vollends entspannt, was in Kombination mit leider bis jetzt niemals randvollen Stadien auch dazu führte, dass ich trotz Kategorie 3 Tickets immer auf Höhe Mittellinie saß, so auch heute! Das mittlerweile schon übliche Ritual mit Bierkauf wegen Becher, Bechermittellinienfoto und Stadionrunde wurde heute noch um Frühstücksersatz ergänzt und somit erstmals die handfeste Stadiongastronomie angetestet. Preislich für deutsche Stadionverhältnisse günstig, schmeckte das alte Doppelcheeseburger-Ding sogar noch! Zu erwähnen bleibt hier, dass das einzige Zahlungsmittel an den Fressständen ne VISA-Card ist! Keine Mastercard, kein EC-Card, kein Bargeld. Bevor die Frage aufkommt, was jemand macht, der keine VISA hat. An jeweils 2 Ständen im Stadion kannst Dir ne VISA ausstellen lassen. Was ein Saft! An den Getränkeständen wird zum Glück Bargeld akzeptiert!

Von innen macht das Stadion einen sehr Interessanten. Auf der einen Seite ziemlich steile Ränge, auf der anderen trotzdem sehr ausladend mit einem riesig erscheinenden Dach.




Dazu noch ein ganz witziges Detail, kann mich gar nicht erinnern, dass schon einmal in der Perfektion irgendwo gesehen zu haben. Für Zuschauer, die Ihren Platz hinter einem der Tore haben und dort im Oberrang sitzen ist keine der zwei riesigen Videowände einsehbar, da die auf ihrer Seite die auf der gegenüberliegenden verdeckt. Um auch hier ein gutes Bild in der Welt abzugeben, wurde kurzerhand an die Rückseiten der eigentlichen Videowände jeweils ein weiterer, zwar kleinerer aber völlig ausreichender Screen montiert, der das Bild der großen Wände synchron abspielte!

Zum Spiel kann man sich eigentlich alles Schreiben sparen, meint doch ein schweizer Abwehrspieler, der mir das ganze Spiel negativ aufgefallen ist, 20 Sekunden vor Abpfiff den Zweikampf seines Lebens zu bestreiten, damit den Ball in der eigenen Hälfte zu erobern und nen Konter einzuleiten, der quasi mit dem Schlusspfiff den vielumjubelten Sieg brachte. Und mit vielumjubelt mein ich viel! Keine Ahnung, wo der Ottmar war, aber alle anderen zur schweizer Delegation gehörenden Sportler und Funktionäre lagen in einem großen Knäuel übereinander. Ich hab mich zwar gefreut aber wirklich verdient war es nicht, ein ziemlicher Grottenkick von beiden Seiten. Noch paar Stadionrunden gedreht und dem Kollegen Preußen 3 Tickets aufgesammelt, sollte jetzt endlich mal bissel Tourikram auf dem Programm stehen.

Fürchten hier das Regierungsviertel unsicher zu machen, brauchte man heute nicht! Aus Angst vor Protesten und / oder Ausschreitungen standen vor jedem Ministerium und vor jeder Bank dutzende gut verpackte und bewaffnete Angehörige diverse Organisationen mit „Gewaltoligopol“ Polizei, Militärpolizei, Militär, was auch immer und jeder ne andere schicke Ausrüstung. Und von Banken und vor allem Ministerien gibt es hier mehr als reichlich. Ich vermute mal, dass die Dichte an Regierungsgebäuden weltweit ihresgleichen sucht, ohne genau zu wissen, wie der Onkel Kim das bei sich organisiert hat. Allen Architektur- und oder Stadtplanerfreunden sei hier dringend mal ein Blick auf den Stadtplan empfohlen, wirklich ne spannende Geschichte, die da Ende der 60er begonnen wurde. Mein Weg sollte mich vom Stadion am Fernsehturm vorbei die zentrale Promenade herunterführen, die rechts und links gesäumt ist mit Gebäuden vom Oscar. Wie gestern schon die Kirche, riss mich auch heute hier nichts vom Hocker, das Gesamtensemble war das spannende und für seine Zeit war das auch sicher spektakulär, wenn nicht revolutionär.

Auf dem gut zweistündigen Spaziergang machte ich mich noch bei einem Ecuadorianer beliebt, der nach einer kleinen Foto-Session mit ner Teileinheit Ordnungshüter im Sprint wieder zu seinem Kollegen aufschließen wollte und dabei den ein oder anderen Geldschein verlor. Was auch immer er gedacht hat, aber zuerst wollte er gar nicht stehenbleiben oder gar zurückkommen, als ich ihm hinterherrief. Erst als ich meine Schwungmasse beschleunigt, einen Schein aufgehoben und damit gewedelt habe wie einst Fans diverser Mannschaften in Richtung Dammsitz bei LE-Leutzsch, ging ihm ein Licht auf und er kehrte um. Sichtlich erfreut neben den 3 Punkten nun nicht auch noch Geld verloren zu haben, gabs ein bissel Smalltalk und ein Erinnerungsfoto mit dem großen Weißen für die beiden echt Kleinen!


Auf dem Rückweg näherte ich mich unweigerlich wieder dem Turm und diesmal konnte ich seinem Gewinsel nicht mehr widerstehen. Kurzes Anstehen wurde mit nem echt schicken Blick über das Regierungsviertel und hin zum Stadion belohnt. Kostenlos war es obendrauf auch noch, obwohl da mindestens 5 Leute am arbeiten, korrigiere am „im Fahrstuhl sitzen“ und am „auf der Aussichtsplattform stehen“, waren. 

Damit war das Kapitel Brasilia leider auch schon wieder Geschichte. Hab das Gefühl hier hätte es noch bissel was zu sehen gegeben und zum richtigen Fleisch essen bin ich auch noch nicht gekommen. Gekommen bin ich dann zu einer neuen Bekanntschaft, saß doch ein Mexikaner an der Bushaltestelle vor meinem Hotel und wartete wie ich auf den Airport-Shuttle. Offensichtlich mit dem „Quatsch mich an“ – Gesicht ausgestattet, kams zur Kontaktaufnahme und zu zwei Stunden intensivem Gelabere über Fußball in diversen Erdteilen dieser Welt. Ein mexikanischer Hopper, wie witzig! Sei gegrüßt Heriberto! Die letzte halbe Stunde verbrachten wir dann am Airport, dieses Mal aber bei einem Besuch des Public Viewings im ersten Stock und dem Spiel Argentinien – Bosnien-Herzegowina!

Für den Kollegen ging es dann 5 Minuten vor mir los, zurück in seine Wahlheimat nahe Sao Paulo und morgen an den Schreibtisch. Mich sollte es heute noch nach Salvador verschlagen, wo morgen unsere Elf ins Turnier einsteigen wird. Nach einem zweistündigen ereignislosen Flug wurde dann gegen 11 Uhr abends die mittlerweile vierte Host-City erreicht. Kurz den Irrtum aufgeklärt, das ein Airport-Hotel zwingend am Airport sein muss und so mit einem recht teuren Taxi die 4 Kilometer zum Hotel- und Gewerbekomplex Hangar absolviert. Kurz nach Verlassen des Flughafengeländes wird die Straße zu einer Bambus-Allee, was ein echt geiler Anblick war. Ich werde das morgen mal bei Tageslicht versuchen abzulichten. Im Hotel war die Hölle los, aber ziemlich fähige MitarbeiterInnen hatten den Zoo gut im Griff so dauerte es keine 10 Minuten bis ich die Schlüssel und die Zimmernummer in der Hand hielt. Bei der Übergabe fragte mich die Kollegin was ich angestellt hätte, um diesen Preis zu bekommen. Ehrliche Antwort meinerseits: Nix besonderes, einfach auf der Accor-Seite ein Zimmer gesucht, gefunden und gebucht. Zimmer war wie von europäischen Ibis gewohnt, schlicht aber sauber. Hier sogar mit Klima und sehr großem TV . Für letzteren hatte ich heute nur wenig übrig, brauchte ich doch meinen Schlaf für den nächsten anstrengenden Tag!


Teil 1: Auf nach Brasilien!
Teil 2: 14.06.2014 Kolumbien – Griechenland, Estadio Mineirao – Belo Horizonte
Teil 3: 15.06.2014 Schweiz – Ecuador, Estadio Nacional – Brasilia
Teil 4: 16.06.2014 Deutschland – Portugl, Arena Fonte Nova – Salvador
Teil 5: 17.06.2014 Russland – Südkorea, Arena Pantanal - Cuiaba
Teil 6: 18.06.2014 Australien – Niederlande, Estadio Beira-Rio – Porto Alegre
Teil 7: 19.06.2014 Ticketbeschaffung, Transfer, Ruhetag und Halbzeit nach besuchten Stadien

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