Tag 6 - Ohne Holland bleib'mer bei der EM

Ausnahmsweise mal total ausgeschlafen konnte darüber hinaus auch noch völlig entspannt aufgestanden, zusammengepackt, ausgecheckt und abgereist werden. Ein schickes Nachtlager mit eigenen sanitären Einrichtungen hat schon was! Wenn dazu auch noch Gastgeber und Umfeld stimmen, fetzt es sogar deutlich hinter der östlichen Grenze des uns bekannten Europas. Ohne erneut unsere Lungen mit Schwerindustrieluft aus Mariupol zu verwöhnen, setzte ich Kurs östlich an eben jenem Loch vorbei nach Norden und wie es sich für nen guten Steuermann gehört, folgte Peter diesem und brachte uns gewohnt sicher und auf den Nebenstraßen deutlich komfortabler als gedacht in den Großraum Donetzk.
Weder unser Zeitkontingent noch die Erfahrungen der letzten Tage waren groß bzw. gut genug, dass uns noch mal etwas in die Innenstadt gezogen hätte und so wurde Donetzk östlich umfahren und direkt auf unsere heutige Host City Charkiw zugesteuert! Da Frühstück heute auf Grund fehlender Entschlussfreudigkeit am Vorabend selbiges zu bestellen ausfiel, knurrten hinter Donetzk so langsam alle 4 Bäuche...wobei richtige Bäuche ja nur 2 1/2 an Bord waren aber irgendwas knurrte bei Ilka auch. Unserer Sänfte dürstete auch mal wieder und so bot sich ein kompletter Service-Stopp fürs ganze Team geradezu an. Als Ort des Zwischenstopps sollte uns Kramatorsk alias Krematorium, der teaminternen Bezeichnung für diesen Ort, dienen. Schnell war ein schicker Supermarkt gefunden, der uns mit allem versorgen konnte. Hunger und gute Laune leisteten ihren Beitrag und so wurde heute mal nicht auf Geldbeutel sondern auf Magen und Zunge gehört. Herausgekommen ist dann eine ganz ordentliche Summe und eine prall gefüllte Einkaufstüte. Das alleine war noch nicht so spektakulär, wohl aber was ich auf dem Kassenbon entdeckte und sofort bildlich veranschaulichte. Ich zog die von Peter fürs heutige Frühstück ausgewählte 150g-Packung Schinken aus der Einkaufstüte und nahm sie in die rechte Hand. In der linken Hand war die immer noch prall gefüllte Einkaufstüte, allerdings hielt ich in beiden Händen ziemlich exakt den Gegenwert für die gleiche Geldmenge! Alter Verwalter....Schinken essen ist hier offensichtlich mehr Statussymbol als S-Klasse fahren. Gegen sofortiges Probieren dieser und der anderen Leckereien sprach eindeutig der unüberdachte, dafür mitten in der Mittagssonne brodelnde Parkplatz! Also rein ins Auto und mit heißem Kaffee im Becher schnell ein schattiges Plätzchen gesucht, gefunden und ganz gemütlich & lecker gebruncht! Hab mir sagen lassen, der Schinken war sehr gut! Der Rest allerdings auch und so ging es bestens gestärkt und mit langsam steigender Vorfreude auf das Spiel und darauf unsere südharzer Truppenteile wieder zu treffen, auf die letzte Etappe direkt nach Charkiw. Trotz der Nacht auf dem Donetzker Zeltplatz und explizit nicht wegen eines schinkenbedingten Lochs in der Reisekasse, war unser Ziel wieder eine Camping-Anlage. Dieses Mal allerdings keine extra für die EM in der Peripherie aufgebaute Anlage, sondern ein zentrumsnahes Erholungsgebiet am See. Bevor dies erreicht wurde gab es aber noch den mittlerweile obligatorischen Stopp am Oblasteingangsschild! Diese Pflicht erledigt, das Navi gute Dienste geleistet erreichten wir am frühen Nachmittag die Anlage und nachdem Olli sein auf der Volkshochschule Gelerntes angewendet hatte, durften wir auch unser Lager in Form zweier Zelte aufbauen. Aus den (Hitze) - Schmerzen des vorletzten Morgens gelernt wurde von Olli und Peter der Standort der Zelte höchst wissenschaftlich berechnet, um möglichst spät mit Sonnenstrahlen und deren Folgen fürs Raumklima in Berührung zu kommen. Gesagt, getan und gleich noch den Franzosen in den Vorgarten gestellt war die Trutzburg fertig. Während ich meiner journalistischen (hüstel) Pflicht nachkam und ein paar Absätze ins Tagebuch tippte, gönnten sich Peter und Olli eine Abkühlung im keine 10 Meter entfernten See. Dann sollte es so langsam zum Stadion gehen und die Frage nach dem Transportmittel stand mal wieder an und auf Grund vorhandener Metro sowie Bierdurst wurde sich für den ÖPNV entschieden. Um zur Metro zu gelangen wäre eigentlich ein Fußmarsch mit anschließender Busfahrt fällig gewesen, dem Angebot eines am Zeltplatz wartenden Taxi-Fahrers konnten wir aber nicht widerstehen und ließen uns für 10 Euronen zur Metro fahren. Selbige konnten wir dank unserer Eintrittskarten dann sogar kostenlos nutzen. Ausspucken lassen haben wir uns mitten im Zentrum, wo sich die Fanzone, ein paar Pubs, die Fanbotschaft und ein paar Sehenswürdigkeiten befinden sollten. Und was soll ich sagen, es war alles da! Eine ziemlich große Fanzone auf dem angeblich größten innerstädtischen Platz Europas empfing uns direkt beim Verlassen des U-Bahn-Hügels. Monströs laute Bumm-Bumm-Mücke lud nicht gerade zum Eintreten ein und außerdem wollten wir in der kurzen Zeit, die uns hier blieb wenigstens ein bissel was sehen. Dies gelang zwar nur mit großen Abstrichen, aber ein paar sehr geniale Gebäude und eine schicke Parkanlage mit Verpflegungs-Pavillons konnten sich echt sehen lassen. Was wir leider trotz aufmerksamen Suchens nicht finden konnten, war das von Olli angekündigte über 300 Meter hohe Haus. Ich hatte mich schon wieder mit "kann ich mir nicht vorstellen, dass hier so ein hohes Haus steht" beliebt gemacht, als ein gemeinsames Lesen des Reiseführers von Peter und Olli Licht ins Dunkle brachte. Das Haus ist nicht 300 Meter hoch, sondern breit und war dann wohl das direkt hinter der Fanzone! Im angesprochenen Park besorgte Peter erstmal ein paar lauwarme Bier, Olli trieb ein Helmut (Programmheft/Infobroschüre/Fanzine der deutschen Fanbetreuung) auf und gemeinsam schlenderten und guckten wir rum. Ganz schön viele Holländer hier am Start! Eigentlich gerade auf dem Weg weitere Hot Spots zu suchen gab es Meldung vom Kollektiv Südharz, dass sie Bier zu verschenken hätten und wir uns in einem Nähe gelegenen Irish Pub einfinden mögen. Da Getränke mit in eine Location bringen so gar nicht nach Peters und meinem Geschmack war (zu dem Thema hatten wir in unserer Zeit als Teil der Studentenclub-Crew genügend Diskussionen), versuchten wir frisch gezapfte Biere zu erwerben. Dies stellte sich aber zuerst als schwierig - es war verdammt voll, später als unmöglich - die Bedienung hat vor der Masse kapituliert und ist einfach abgehauen - dar! Also doch auf das Bier der Kollegen zurück gegriffen und in nem Pub sitzend ein zwei mitgebrachte Dosenbier gezischt und dabei ausgetauscht, wie es den beiden Gruppen die letzten Tage ergangen ist. Während wir alten Säcke von der Brigade Erfurt uns auf Zeltplätzen die Nächte um die Ohren schlugen, hatte der Jungsturm vom Kollektiv Südharz frühzeitig geplant, Beziehungen spielen lassen und so geniale private Unterkünfte mit allerlei Rahmenprogramm bezogen. Aber wer braucht das schon, wir dagegen waren bis zum letzten Zeitpunkt frei, ungezwungen und flexibel…das ist wahres Leben :)! Bier leer, letzten Tage ausgetauscht, Zeit den Weg zum Stadion anzutreten und das aus mindestens 3 guten Gründen. Erstens war jetzt das Licht genial für Außenaufnahmen vom Ground, zweitens wollte zum heutigen Spiel unsere Fahne wieder aufgehängt werden und drittens war jetzt klar, dass die Frühabendspiele in jedem Spätabendspielstadion live übertragen werden. Also ab in die Metro und 3 Stationen später wieder raus. Da die Metrostationen direkt am Stadion aus Sicherheitsgründen gesperrt waren, hatten wir noch knapp 15 Minuten zu Fuß zurück zu legen, was mit einem weiteren Wegbier für jeden versüßt wurde. Kurz drauf sonderte ich mich von der Gruppe ab, da für mich heute mal ganz versnobt Haupttribüne auf dem Programm stand. Ob die Einlasskontrollen hinter der Haupttribüne immer so lasch sind konnte ich bisher und werde ich den Rest der Reise nicht mehr überprüfen können, vielleicht waren die Ordner aber knapp 3 Stunden vor Kick Off auch noch nicht richtig warm. Hier hätte man heute auf jeden Fall Zubehör für ne Feuerwerks-Weltmeisterschaft reinbringen können. Da ich dies aber leider nicht dabei hatte, beschränkte ich mich auf Fotos schießen, Ordner besülzen um ne Stadionrunde laufen zu dürfen (im Gegensatz zu den Kollegen vorm Stadion waren das hier bissige Hunde), Bier kaufen, Aufhängen der Fahne aus der Ferne beobachten, Youri Mulder zuhören, der in meinem Block interviewt wurde und das andere Spiel anschauen. So vergingen die knapp 3 Stunden fast wie im Flug und der Ground füllte sich zusehends. Leider trat das erwartete ein und das eigentlich in blau gehaltene Stadion nahm die Farbe der Müllabfuhr an! Wie viel Angst müssen die nur vor einem sommerlichen Dammbruch haben, dass die alle zwei Jahre mit ihrer kompletten Bevölkerung die Stadien Europas und der Welt verschandeln. Dieses Jahr strahlten die neben ihrer aufdringlichen Farbe auch noch eine unglaubliche Zuversicht aus, hier etwas reißen zu können. Ganz kurz bekam ich ein bisschen Bammel…aber nur ganz kurz, denn die folgenden 90 Minuten verwandelten das orangene Meer in ein Tränenmeer. Wie auch immer der Herr Gomez das gemacht hat, es war genial! Da auch der Anschlusstreffer daran nichts mehr geändert hat, konnte der zweite Sieg im Turnier und gleichzeitig 3 wichtige Punkte für den Gruppensieg und somit einem Viertelfinale in Danzig eingefahren werden – sehr schön, besaßen wir doch schon 2 ½ Karten für dieses Spiel. Bestens gelaunt gab es noch Fratzenfoto mit den anderen und dann galt es eine Entscheidung pro Siegesfeier kontra entspannte Fahrt nach Kiew oder andersrum zu treffen. Ekelhaft vernünftig entschieden wir uns gegen das gemeinsame Siegerbier und traten die getrennten Heimwege an…wir in unsere vor Freiheit und Individualismus strotzende Zelte, der Jungsturm in ihr von Zwang, Planung und Spießigkeit strotzende Luxusheerberge. Auf unserem Zeltplatz hatte dann noch ein Kiosk auf und so konnten wir doch noch auf unsere Elf anstoßen, bevor das Nachtlager bezogen wurde. Ich wollt noch ein paar Zeilen ins Tagebuch klimpern, was dazu führte, dass ich im Auto auf dem Beifahrersitz einschlief….auwa!!!
Stadionpanoramen - Schmalympics - 3C Deutschland GmbH