26.09.2010 FK Sarajevo – FK Olimpic Sarajevo 3:1 (0:1)

Auszug von der Interrail Tour 2010.
.... Was macht man sonntags früh 6:45Uhr als erstes in Sarajevo? Na klar, sich beim Schwarzfahren in der Tram erwischen lassen. Sah blöd aus, hatte ich doch gegenüber meinen neuen Begleiter noch große Töne geschwungen, von wegen kommt eh keiner und wenn, einfach erzählen, dass das Interrail Ticket auch für die Tram gilt. Haben eh keinen Plan, also werden Sie es schon glauben. Der angestiftete Schwarzfahrer namens Carlos (Spanier) war ebenfalls mit dem Zug aus Zagreb angereist, so beschlossen wir, gemeinsam den Weg in die Innenstadt zu tätigen. Er hatte bei dem nachfolgenden „10 Worte englischer Sprachschatz“ Klärungsgespräch sichtlich die Hosen voll. Carlos bezahlte letztendlich meine 15€ mit, als die Kontroll-Combo drohte, die Polizei zu holen. Ich hätte gerne mit den 3 Typen noch weiter über die Gültigkeit des Interrail Tickets diskutiert, war ich doch an den morgen extrem gut aufgelegt…. Das Geld hat er natürlich wiederbekommen, Spanien ist ja schließlich fast so pleite wie Griechenland.

Sightseeing in Sarajevo, aufgrund der speziellen Historie der Stadt während des Balkankrieges eine sehr spezielle Geschichte. Angefangen mit den positiven Eindrücken. Traumhafte Lage, zieht sich die Innenstadt wie eine Kette am Flussbett entlang, so erstrecken sich die nachfolgenden Stadteile auf den angrenzenden Bergrücken bis zu einer Höhe von 900m. Die komplette Stadt ist umgeben von dem Panorama des Dinarischen Gebirges, immerhin mit Gipfelhöhen bis zu 2000m. Die Innenstadt wurde nach dem Krieg wieder in Ihren ursprünglichen Zustand aufgebaut, soweit wie möglich halt. Sarajevo beherbergt eines der schönsten, weil atmosphärisch gestalteten Einkaufscenter, welche ich bis dato gesehen habe, gelungene Geschichte. Die stark türkisch/osmanisch geprägte Altstadt hat ebenfalls einiges zu bieten, wenn auch die stark überzogen touristenorientierte Geschäftsausrichtung den eigentlichen Reiz der alten Gebäude stark mindert. 2 Kirchen mit interessantem geschichtlichem Hintergrund, dazu unzählige Moscheen. Hinzu kommt ein sehr junges Publikum, welches die Atmosphäre auf den Straßen der Innenstadt sehr angenehm macht.

Überleitung zum „speziellen“ Teil. Der Grund, warum ein ungewöhnlich junges Publikum Sarajevo bevölkert, ist unschwer an den unzähligen Friedhöfen zu erkennen. 11.000 Menschen kamen während der 4-jährigen Belagerung durch die Serbisch-Bosnisch-Armee ums Leben, 50.000 erhielten teils schwere Verletzungen. Viele von den Kriegsversehrten bevölkern die Altstadt und betteln um Geld, kein schöner Anblick. Hinzu kamen die Toten aus den ethnischen Säuberungen, ganze Dörfer wurden laut bosnischen Angaben ausgelöscht. Als wir von einem Hügel aus gute Sicht auf die Innenstadt + angrenzende Wohnviertel hatten, zählten wir alleine 8 Friedhöfe sowie unzählig einzeln verstreut liegende Grabsteine. Kleines Beispiel, der zwischen dem Olympiastadion sowie Innenstadt gelegene Friedhof hat eine geschätzte Gesamtfläche von 8-10 Fußballfeldern.



Dazu kommt, dass man in nahezu jedem Gebäude Einschusslöcher sieht. Bei einigen Gebäuden sind diese mit Mörtel zugespachtelt, bei anderen wurde einfach innerhalb des Hauses eine zweite Mauer hochgezogen. An vielen Gebäuden in der Innenstadt sind von außen Tafeln mit den Opfern angebracht, welche im jeweiligen Gebäude getötet wurden. In den äußeren gelegenen Wohngebieten sieht man komplett durchsiebte Häuserfronten, notdürftig reparierte Balkone, schlecht verspachtelte Granateinschläge. Sprich man wird permanent und überall an die Vorfälle der Belagerungszeit erinnert. Vorsicht bei Nachahmung, in den Wohnvierteln mag man verständlicher Weise keine Touris, die Fotos machen.



Beim Besuch vom „Tunnel of Life“ (ein angelegter Tunnel unterhalb vom Flughafen war über die gesamte Belagerungszeit die einzige Verbindung zwischen der Stadt und den bosnisch besetzten Restgebieten) zeigte man Videoaufnahmen aus jener Zeit, gedreht von den Leuten, die in der Stadt festsaßen. Uih, auf solche Szenen war ich nicht wirklich vorbereitet. Die begleitenden Ausführungen einer Augenzeugin in meinen Alter machte die Sache auch nicht besser. Kurz gefasst, die serbischen Scharfschützen in den umliegenden Bergen hatten die Stadt fest im Griff. Genug zu dieser Thematik. Ranking bzgl. Sightseeing lasse ich weg, jeder wird schon selber wissen, ob und wenn, warum er nach Sarajevo fährt.

26.09.2010 FK Sarajevo – FK Olimpic Sarajevo 3:1 (0:1) – Stadium Asim Ferhatovic Hase – 4500 Zusch.

Stadtderby in Sarajevo. Vorweg, geiles Ding! Lange nicht mehr ein so spannendes + intensiv geführtes Spiel gesehen. Der Block von FK Sarajevo bekommt ebenfalls ein Ausrufezeichen, 90min Dauersupport vom Feinsten, dazu jede Menge Rauch + Bengalen! Einziger Wehrmutstropfen, kein einziger Fan von FK Olimpic im Stadium. Warum auch immer.

Von vorne, bei der Hymne von FK Sarajevo wurde mir kurz ein wenig anders, als ausnahmslos alle Anwesenden im Stadion diese sehr ergriffen und leidenschaftlich mitsangen. Ein wenig wie in Belgrad, gepaart mit den Eindrücken vom Tag jedoch noch ergreifender. Das Stück ging über 5min, klang sehr wehmütig, erinnerte mich stark an die russischen Partisanenlieder, welche wir in der Schulzeit lernen mussten. Wurden die Strophen eher leise sowie schwermütig gesungen, wurde beim Refrain lautstärketechnisch Vollgas gegeben.

Danach stimmte der Block von FK Sarajevo eine weitere sehr melodisch klingende Gesangspassage an, welche Sie bis zur 13min. ununterbrochen von sich gaben. Selbst als FK Olimpic in der 4min. das 0:1 erzielte bzw. kurz danach fast auf 0:2 erhöht hätte, gab es keine Unterbrechung. Zum Gesang gab es kurz nach dem 0:1 viel Rauch + Bengalen, auf einem nahegelegenen Hügel (keine 40m entfernt), wurde hinzu ein Feuerwerk in Richtung Stadion abgeschossen. Das ganze Spektakel war mehr als eine gelungene Aktion!

FK Sarajevo spielte nach dem Rückstand zwar sehr bemüht, jedoch wollte es warum auch immer in der 1. Halbzeit nicht wirklich gelingen, den Ausgleich zu erzielen. Klasse Torhüterleistung sowie eine gut stehende Abwehr auf der Gegenseite + viel Pech waren ausschlaggebend. FK Olimpic war auch nicht wirklich nur auf Halten bedacht, spielte gekonnt nach vorne und erarbeitete sich so mehrere Gelegenheiten zu erhöhen. Ein sehr intensiv geführtes Derby von beiden Seiten, teilweise sehr rüde Fouls bzw. wurden unter den Spielern immer wieder kleine Nettigkeiten ausgetauscht. Die beiden Vereine schienen sich wirklich mehr als nicht zu mögen.

Die Tribüne, da ja ausschließlich FK Sarajevo Anhang, komplett am Verzweifeln, Pfiffe ohne Ende. Dagegen der Block in der Kurve nach wie vor gut am Feiern. Wäre vor der Kurve nicht das Banner von den FK Sarajevo Ultras gehangen (sah gut aus, ein große Fahne komplett über die ganze Kurve) man hätte meinen können, die Jungs sind von FK Olimpic. In der 2. Halbzeit ein komplett anderes Spiel, FK Sarajevo drehte auf und erzielte innerhalb von 5min. 2 Tore. FK Olimpic hielt nach wie vor gut mit, doch nun war das Pech auf Ihrer Seite. 2x Pfosten sowie ein starker Torhüter verhinderten weitere Tore für Sie.

Die Vorgeschichte + Entstehung vom 3:1 wird in Bosnien-Herzegowina definitiv das Tor des Jahres. Freistoß kurz nach dem Mittelkreis. Übliche Aufstellung im Strafraum in Erwartung einer Flanke. Der eigentliche Spieler, welcher den Freistoß in den Strafraum bringen will, läuft gerade an, stellt sich Mr.10 vom eigenen Team in den Weg. Fette Diskussion zwischen den Beiden, letztendlich Mannschaftsinterne Rudelbildung. Mr.10 ist definitiv auf Koks, „Last Boy Scout“ lässt grüßen, stößt zwei eigene Spieler weg, legt sich den Ball zurecht und deutet den verbleibenden Kollegen im Strafraum an, dass Sie zur Seite gehen sollen. Das ganze Stadion komplett in Wallung, Pfiffe + Nettigkeiten gegen seinen Stammbaum bis runter zur 5. Generation. Mr.10 bleibt cool, auf Koks ist halt alles a bissl rosa, läuft an und versenkt das Ding unhaltbar ins obere rechte Eck! Komplett schmerzfrei aus min. 40m! Danach rennt er umgehend in Richtung Haupttribüne und legt sich den Zeigefinger auf den Mund. Ein Mix aus gellendem Pfeifkonzert sowie komplettes freudiges Durchdrehen ist die Antwort. Keine Ahnung, ob jener Spieler einen „bestimmten“ Stellenwert bei den Fans hat, nettes Ding allemal.

Selbst noch in der Nachspielzeit wurde gekämpft und gearbeitet, als würde das letzte erzielte Tor die Meisterschaft entscheiden. Klasse Einstellung von beiden Teams.





Nach dem Spiel ging es in Richtung Hostel, dort mit ein paar Typen aus Norwegen Ihre letzten Schnapsreserven vernichtet und ab in die Koje.
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